Bury Tomorrow – Cannibal Review

892438
Fotocredit:
Sony Music
9.5

In wenigen Stunden ist es endlich soweit. Bury Tomorrow veröffentlichen ihr sechstes Studioalbum mit dem Titel „Cannibal“. Ein Release dem ich persönlich seit Ewigkeiten entgegen gefiebert habe. Nach einem Verzug der Veröffentlichung von drei Monaten, könnt ihr pünktlich zu Mitternacht in das neue Album reinhören.

Bury Tomorrow haben die meisten von euch wahrscheinlich schon seit 2014 auf dem Schirm, als die Jungs aus Southampton „Man Of Fire“ rausbrachten. Mit ihren anschließenden Alben „Runes“, „Earthbound“ und „Black Flame“ wuchs ihre Fan-Gemeinschaft und ihr Bekanntheitsgrad immens, ebenso wie auch sie zu wahren Metalcore Größen heranwuchsen.

Bevor wir das Album lyrisch in Augenschein nehmen und als Ganzes bewerten, müssen wir zunächst einmal auf die Hintergründe dieser Platte eingehen und weshalb dieses Album gerade Dani Winter-Bates, dem Frontsänger der Band, am Herzen liegt.

„Cannibal“ ist schonungslos ehrlich und schneidet tiefer als alle vorherigen Alben. Transparent und ohne ein Blatt vor dem Mund, verlässt sich Dani nicht länger auf Metaphern oder Beschönigungen, sondern verarbeitet seine Gefühle, Abgründe und Ängste in jedem einzelnen Song. Sie sollen helfen, Trost bringen: „Die Wiederherstellung geistiger Gesundheit ist das, was Leben rettet. Ich möchte, dass die Menschen Licht in der Dunkelheit sehen. (…) Darüber zu sprechen, bringt Normalität und positive Bewegung in das Thema.“ Er selbst veranstaltet gemeinsam mit weiteren Menschen das sogenannte „Safe Space“, bei dem Menschen kommen und über Psychische Gesundheit sprechen können. Das Album wurde gemeinsam mit dem „Black Flame“ Producer Dan Weller aufgenommen und Adam Getgood und Ermin Hamidovis gemastert, welche bei dem Wunderwerk „Holy Hell“ von Architects bereits Hand anlegten.

Melodischer, Härter, Düsterer.

Genug mit Rückhaltung, singt Dani mit so einer Kraft, dass Choke als Opener einen perfekten Einstieg gefunden hat und Bock auf mehr macht. Choke ist voller Wut über das eigens erbaute, angsterfüllte Gefängnis. Harte Riffs, plus der phänomenalen Stimme von Jason Cameron, der einem mit seinen Clean Vocals für immer im Gedächtnis bleiben könnte. Dieser Song hier wurde neben The Grey (VIXI), Cannibal, Better Below und Gods And Machines vorab veröffentlicht.

Cannibal schließt mit unveränderlichem Tempo und Stärke an Choke an, hierbei geht es um Worte und Gedanken, die ewig lang nachklingen, einen nahezu einverleiben und von Grund auf zerfressen.

The Grey (VIXI) wurde während der Herbsttour 2019 als erste Single veröffentlicht. Ein lyrisch gänzlich düsterer Song, musikalisch trägt er den Hörer durch den Song und verliert kaum an Härte.

Bei Imposter steigert sich das Tempo wieder und endet in einem brachialen Breakdown. Für die Leute unter euch, die das nicht wissen: Das Imposter Syndrom (übersetzt: Hochstapler) äußert sich dadurch, dass man sich fühlt, wie als wenn eigene Talente und Fähigkeiten bei weitem nicht den imaginären Anforderungen entsprechen. Ebenso hat man Angst „aufzufliegen“. Dani kämpft mit seinen Ängsten und seinen Gedanken, dass er es nicht verdienen würde, eine gewisse Stellung im Job oder dergleichen zu haben. Darüber zu sprechen hilft ihm als Mensch, sowie in der Gesellschaft.

Die Hymne Better Below, bei dem Dani über Unterdrückung von Gefühlen und Maskierung seiner selbst spricht, kam als vierte Single Auskopplung raus und steigt direkt mit einer einprägsamen Melodien ein, welches sich komplett durch den Song zieht und in einem wunderschönen Solo von Kristian Dawson gipfelt.

Mein persönlicher Favorit ist The Agonist, wobei es um Selbst-Geißelung geht. Er lässt keine Atempause zu, nur zum Abschluss ebbt der Song in atmosphärischen Gitarrenklängen ab.

Quake nimmt die Ruhe von zuvor mit, schlägt aber eine ganz andere Richtung ein, wie wir sonst von Bury Tomorrow kennen. Langsame, melodische Riffs und lyrisch genauso düster und trist wie The Grey (VIXI).

Bei Gods & Machines geben die Jungs sich gesellschaftskritisch, über die Welt, welche jenseits von Gut und Böse von Technik beherrscht wird. Wenn ihr noch nicht reingehört habt, könnt ihr das gleich hier tun.

Während Voice & Truth instrumentell mit einem weiteren Solo von Kris Dawson glänzt, geht es bei diesem Track darum, wie wir mit Vertrauensbrüchen kämpfen. Das Intro von Cold Sleep erinnert mich an „Black Flame“, doch ab dem Refrain erinnert der Song kaum noch an einen bisherigen Bury Tomorrow Sound. Den Abschluss macht Dark Infinite, der sich noch einmal voller Spannung und Kraft sammelt zu einem letzten Breakdown.

Fazit: Bury Tomorrow sind ihrem unverkennbaren Sound meistens treu geblieben sind, trauten sich aber an manchen Stellen neue Dinge auszuprobieren. Auf technischer Ebene zeigen sich Bury Tomorrow von einer „vollkommener“ Seite, die wir noch nie gesehen haben. Jason ist auf „Cannibal“ auf seiner stimmlichen Höchstleistung. Dani’s Stimme besitzt unfassbar viel Kraft und ist weitaus vielfältiger in seinem Stimmumfang als bisher. Beide Stimmen geben der Band ihren unverkennbaren Sound und ergänzen sich perfekt.

Es ist einfach phänomenal, mit was für einer außergewöhnlichen Wucht dieses Album einschlägt. Nach einem Gig müssten die Jungs sehr wahrscheinlich komplett fertig sein, diese Songs lassen einem absolut keine Zeit, um runter zu kommen. Das sind 11 Songs mit vollgeballter Power. Bury Tomorrow schafft es, bis auf wenige Ausnahmen, jeden Song in Hymnen und Sing-a-Longs zu verwandeln – böse Breakdowns garantiert! Die Songs sind alle ausnahmslos konzert-tauglich, regen Zuhause in Zeiten der Isolation zum headbangen an und unsereins darf mit dieser Platte von einer (hoffentlich baldiger) Zukunft träumen, in der wir diese Songs Live abfeiern können.

TRACKLIST

1) Choke
2) Cannibal
3) The Grey (VIXI)
4) Imposter
5) Better Below
6) The Agonist
7) Quake
8) Gods & Machines
9) Voice & Truth
10) Cold Sleep
11) Dark Infinite

Dani Winter-Bates – Vocals
Jason Cameron – Clean vocals /Rhythm guitar
Kristan Dawson – Lead guitar/Backing vocals
Davyd Winter-Bates – Bass
Adam Jackson – Drums