Review: Feine Sahne Fischfilet in Karlsruhe

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Fotocredit:
Philippe Gonzalez

Man nehme sechs Mecklenburg-Vorpommener, würze sie mit einem neuen, deutschen Kultalbum, ummantelt diese mit wilden, pogenden Karlsruher Fans und schiebe alles für gute zwei Stunden in das 200 Grad vorgeheizte Substage. Und was erhält man? Richtig. Deutschlands momentan provozierendste Politpunkband.
Eine kleine Vorstellung des Konzerts und die eigene Meinung der Autorin zum ganzen Thema folgt nun:

Feine Sahne Fischfilet ist ein Name, der bereits seit Monaten durch sämtliche Medien kreist. Leider nur wegen Negativschlagzeilen. Dessau, Chemnitz und Verfassungsschutz sind nur wenige Schlagworte. Und auch wenn Sänger Monchi immer wieder betont: „Danke für die PR, Leudä“, sollte man vielleicht auch mal etwas von der Kritik abweichen und sich fragen: wer ist diese Band eigentlich? Und warum ist sie mit ihrer Musik und ihren Texten so interessant? Bis zu Beginn dieses Jahres war die Band nicht auf meinem Bildschirm, zugegebenermaßen gewann sie auch erst durch die Medienerscheinungen meine Aufmerksamkeit. Da aber meiner Meinung nach alles Provozierende auch seinen Hintergrund haben muss, wollte ich immer mehr wissen – und vor allem – die Musik erleben.
Freitag war es dann soweit. Mit einer Flasche Pfeffi bewaffnet kamen wir zum Konzert im Karlsruher Substage, in unserer Stadt. Die Vorband war schon fast vorbei. Sie nannten sich „My Terror„. Gegen 21 Uhr kam dann FSF auf die Bühne des ausverkauften Saals getrottet. Mit Brüllen und Parolen wurden die Jungs begrüßt und sie legten ohne ein großes Hallo gleich los mit „Zurück in unserer Stadt“. Ab diesem Moment wurde gepogt, getanzt, gesungen und gecrowdsurft. Die Menge war begeistert und am Schwitzen. Wobei man dazu sagen muss, dass es wahrscheinlich keinen besseren Opener gibt wie „Es geht los! Es geht los! Heute Nacht!“
Danach wurde begrüßt und erzählt. Die genaue Setlist kann ich leider nicht wiedergeben, aber an einzelne einprägsame Dinge kann ich mich gut erinnern: die Songs der Band haben immer eine Geschichte.

Angst frisst Seele auf“ ist ein Song, den die Band für eine enge befreundete Politikerin namens Katharina geschrieben hat. Katharina, so Monchi, stellt sich gegen den Rechtsruck und gibt ihre Meinung gerne Preis, ob in Persona oder auf Social Media, obwohl heute jedem der sich positioniert, bewusst sein muss, welchen Shitstorm das bedeutet – gerade als Person des öffentlichen Lebens. Dies ging wohl soweit, dass es Beleidigungen und Drohungen gegen die Linkspolitikerin regelrecht hagelte. Die Band widmete „Angst frisst Seele auf“ Katharina König-Preuss, um sie zu stützen und ihr die Angst vor dem Kampf gegen Rechts zu nehmen.
Ein weiterer Song namens „Suruç“ handelt von Erlebnissen und Eindrücken, die Monchi bei einer Hilfsaktion geammelt hat, für die er ins syrische Kobane nach einem IS-Anschlag gereist ist. Dort wollten die Flüchtlingshelfer Winterklamotten und Arznei in das Krisengebiet bringen und standen, einen Tag nachdem sie beim Deichbrand Festival gespielt haben, auf einmal, wie Monchi es ausdrückte, „statt zehntausend Menschen, vor 31 Leichen“. Der Refrain „Wir haben’s verteidigt – baun’s gemeinsam wieder auf“ ist die Leitparole der Bevölkerung, die nach dem Selbstmordanschlag ihre Stadt wieder aufbaut.
Neben Songs wie „Niemand wie ihr„, in dem die Fischfilets ihre Eltern für ihre Erziehung und ihre Unterstützung preisen („Sollte ich mal Kinder haben, will ich so sein wie ihr“) oder selbsternannten Schlagerhits wie „Wo niemals Ebbe ist“, ist Feine Sahne Fischfilet natürlich auch eine Band mit Partyhits, die einfach nur Spaß machen sollen. Ganz nach dem Punkgefühl (und das muss man mal hinkriegen: Punk mit Trompeten) ließen sie die Halle beben und ihre Fans durchdrehen. Bei „Geschichte aus Jarmen“, „Schlaflos in Marseille“ oder „Alles auf Rausch!“ tropfte der Schweiß von der Decke. „Wir haben immer noch uns“ feiert wiederum Freundschaft.
Oft wurden Parolen der Antifa vom Publikum gesungen. Und auch wenn Feine Sahne selbst oft Antifa-Shirts tragen und die Aktion unterstützen, wird immer wieder betont, wie wenig Wert sie auf Parolen brüllen legen. Neben ihrem und dem Merch-Stand von „My Terror“ waren Mitglieder der Organisation „Solidarity at Sea“ anwesend. Es gab T-Shirts, Sticker und Info-Flyer, in denen ich später las, dass eine Petition abgeben wird, um Karlsruhe zu einem sicheren Hafen zu erklären. Auch den Helfern bei Solidarity at Sea wurde ein Song gewidmet („Zuhause„).

Selbstverständlich gab es häufige Ansagen, viele Aufrufe, sich gegen Rechtsruck und Nazis zu stellen und Menschen, welche Flüchtlinge ersaufen lassen, nicht tragbar sind, aber dennoch fiel wider meinen Erwartungen nur einmal der Parteiname AfD. Die Partei, deren Mitglieder FSF am liebsten unter Beobachtung stellen würden wegen angeblichem Linksextremismus und die keine Chance auslassen zu hetzen und zu hassen.
Beendet wurde das Konzert mit „Komplett im Arsch“, dem Partyhit der Band und außerdem dem Namensgeber der Aktion „Noch nicht Komplett im Arsch“, bei der Feine Sahne durch die Dörfer ihrer Heimatstädte tourt, in denen Nazis für das komplette Jugendveranstaltungsprogramm verantwortlich sind. Eine rote Pyroflamme erleuchtete die Bühne und als sie erlosch, verabschiedeten sich die Jungs.
Klar könnte man jetzt noch darauf eingehen wie die Bandmitglieder durch das Publikum gesurft sind, einen Rollifahrer auf die Bühne holten, so wie einen Dad, der seine Tochter mitgebracht hatte, aber die Bühnenshow rückt bei Feine Sahne Fischfilet schon eher in den Hintergrund.
Man kann über die Vergangenheit der Mitglieder sagen was man will. Man kann auch so lange in alten Texten, Songs und Interviews suchen bis man etwas findet und es so hin biegt, dass man es als Grund für eine Beobachtung irgendwie ausgeben kann.

Man kann es aber auch einfach lassen und Steuergelder für Sinnvolleres ausgeben als eine Band in ihrem kleinen persönlichen Kampf gegen Rechts, Terror und den weltweiten Hass einzuschränken oder aufzuhalten. Feine Sahne provozieren – das ist klar. Wieso? Weil sie sagen, was scheiße ist, was falsch ist, was nicht sein dürfte aber leider passiert. Direkt in die Fresse. Das ist extrem – aber kein Extremismus. Und zur Beruhigung aller besorgter Bürger und Eltern: trotzdessen das ich die Band höre, habe ich noch nie einen Stein nach der Polizei geworfen. Und auch keiner meiner Freunde, die die Band hören. Und auch am Freitag niemand.
Danke für die PR, Leudä.