Wenn ein Künstler die Messlatte für ein neues Album sehr hoch gesetzt hat, ist das wohl Ghostkid, der 2020 mit seinem self-titled Debüt ein rundum beeindruckendes Manifest lieferte. Nach seinem Ausstieg bei Electric Callboy brachte Sänger Sebastian „Sushi“ Biesler schnell sein neues Projekt Ghostkid an den Start und schaffte es mit dem neuen Stil, neue sowie alte Fans zu gewinnen. Er alleine ist das „Brain“ hinter den Songs und wird lediglich live von weiteren Bandmitgliedern unterstützt.
Seit dem Release mitten in der Pandemie kann Ghostkid als Band nun bereits auf einige Liveshows zurück blicken. Sie spielten u.a. auf dem Summer Breeze sowie dem Corefest, außerdem sind sie ab Ende März als Support für Blind Channel quer durch Europa unterwegs.
In der Zwischenzeit lieferten sie mit insgesamt fünf Singles seit 2022 einen ordentlichen Vorgeschmack auf eine neue Platte. „Hollywood Suicide“ soll das Werk heißen, welches am 22.03. via Century Media erscheint. Es folgt eine subjektive Kritik zum Album.
Die Singles machen Lust auf mehr
Auf „Hollywood Suicide“ wird es thematisch erneut sehr düster und Ghostkid schrecken nicht davor zurück, menschliche und gesellschaftliche Abgründe zu beleuchten. Die erste Singleauskopplung „Ugly“ erschien bereits 2022 und ist entsprechend musikalisch noch sehr nah am zwei Jahre zuvor erschienenen Debüt zu verordnen.
Es geht um schlechte (wörtlich: hässliche/eklige) Menschen, denen es der Protagonist nicht mehr recht machen kann/will. Einer eher sprachgesanglichen Strophe steht ein gesungener und eingängiger Refrain gegenüber. Im direkten Vergleich mit den anderen Vorabveröffentlichungen bleibt „Ugly“ aber (vielleicht wegen des großen zeitlichen Abstands) eher auf der Strecke zurück.
Chronologisch nach Veröffentlichung folgt danach das titelgebende „Hollywood Suicide“, welches auf jeden Fall zu den stärksten Tracks der Platte zählt. Hier erwarten den Hörer, nach einem kurzen synthetischen Intro, Bieslers Screams in wahrer Bestform. Die Hook wird erneut gesungen und fordert dazu auf sich nicht unterkriegen zu lassen und alles zu vernichten, was dich runtermacht. Ein starkes Statement in einem sehr dynamischen Song, der für meinen Geschmack viel zu schnell vorbeigeht.
Mit „Heavy Rain“ wurde dann im vergangen Jahr der sehr emotional aufgeladene – und genau deshalb nach meiner Meinung beste – Titel der Scheibe veröffentlicht. Biesler schafft es, das Thema häusliche Gewalt authentisch in einem Song zu verpacken, der in Kombination mit dem Musikvideo kaum mehr unter die Haut gehen könnte. Hier wird die Geschwindigkeit im Vergleich zum Vorgänger leicht gedrosselt, zugunsten des inhaltlichen Gewichts der Strophe. Natürlich kann man sich trotzdem auf einen Scream-Breakdown zum Ende hin freuen, der „Heavy Rain“ abrundet.
Deutlich dynamischer wird es bei der Anfang Januar veröffentlichten Single „FSU“. Hier spricht das namensgebende Akronym für sich selbst, da der Song den Hörer wahrlich aufwirbelt und live bestimmt das ein oder andere Moshpit mit sich bringen wird. Leider endet mit diesem Titel bereits der Teil des Albums, der mich überzeugen konnte und dauerhaft Einzug in die Playlist findet. Die ersten vier Singles waren wahrlich gut gewählt und weckten eine innere Vorfreude auf das Gesamtwerk.
Es geht bergab…
Die aktuellste Auskopplung „MURDER“ feat. Code:Pandorum (auch: INHUMAN), macht als Stand Alone Technotrack für Liebhaber des Genres sicher etwas her, reiht sich aber gerade wegen der musikalischen Abweichung schlecht bis gar nicht in das Album ein. Thematisch geht es um äußerst toxische Liebe, die im Mord des Partners/der Partnerin endet. Ghostkid selbst beschreibt den Stil des Songs auch als einzigartig und komisch, weswegen ich die Platzierung als letzte Single und überhaupt auf dem Album schlecht nachvollziehen kann.
Mit „S3x“ kommen wir zu den nicht vorab releasten Tracks und dem ersten Titel, mit dem ich gar nicht warm wurde. Die Lyrics wirken verstörend, allerdings nicht wie auf die sonst so positiv hervorzuhebende Art Bieslers. Der Refrain hebt sich kaum von den sowieso schon eher schwachen Strophen ab. Die Platzierung hinter dem überaus gelungenen Opener „Hollywood Suicide“ ist somit nur schwer verständlich.
Auch „Blood“ kommt neben den Singles eher durchschnittlich daher. Direkt zu Beginn wird man mit Synthesizer-Sounds und Effekten überhäuft. Zudem geht Sushis Stimme gerade am Anfang durch die vielen Effekte und die Instrumentals unter. Der Refrain ist kaum eingängig und der Song wird erst durch einen starken Breakdown zum Ende hin wirklich interessant, endet dann aber leider viel zu schnell.
„Black Cloud“ macht zwar im Vergleich zu den vorher genannten Songs einiges richtig, ähnelt in seiner Form aber zu sehr den Zugpferden „Hollywood Suicide“ und „FSU“. An dieser Stelle hätte man (ähnlich wie beim Debüt) vielleicht auf eine Ballade zurückgreifen können, anstatt den dritten „Haudrauf“-Song zu liefern. Mit „Valerie“ bekommt der Hörer dann doch noch eine Art Ballade, die allerdings mit ca. 2:30 Minuten etwas kurz geraten ist und auch wenig einfallsreich/abwechslungsreich daherkommt.
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch die beiden Closer „Dahlia“ und „Helena Drive“, die allerdings ebenfalls sehr austauschbar wirken. Letzterer ist immerhin inhaltlich gut arrangiert und behandelt Menschen mit Masken in unserer Gesellschaft, die ihr wahres Ich vertuschen. Musikalisch geht es eher in Richtung Pop, was wieder rum schlecht zum sonstigen Stil passt. Man wartet das ganze Lied über auf einen Breakdown/Turningpoint, mit dem man dann leider nicht belohnt wird.
Das können Ghostkid besser
Gerade nach den vielversprechenden Singles und dem überragenden Debüt war die Vorfreude auf den neuen Longplayer riesig. „Hollywood Suicide“ ist auch sicherlich kein kompletter Reinfall oder ein schlechtes Album, dennoch bleibt es hinter meinen Erwartungen zurück. Beim Hören bekommt man mehr und mehr das Gefühl, dass vieles zwischen den Singles wenig durchdacht ist und nur als Lückenfüller dient, um endlich ein neues Album veröffentlichen zu können. Dennoch kann man Biesler & Co. insgesamt eine solide, in Teilen kreative, und gut produzierte Platte attestieren, die den Live-Katalog durch einige Ergänzungen erfrischen wird.
Ihr könnt das Album u.a. im offiziellen Shop von Ghostkid ghost-kid.de (vor)bestellen.
-JM