104 Millionen Fans? Wie wenig Bedeutung Youtube-Views in Zeiten von Autoplay haben, zeigte sich beim Konzert von Good Charlotte im Münchner Zenith. Die Vorband Sleeping With Sirens hat mit ihrem Hit „If You can’t hang“ bislang 104 Millionen Views und damit mehr als doppelt so viele, als jeder Good Charlotte-Song. Trotzdem sind sie nur die Vorband, denn Good Charlotte kommen aus einer Zeit, in der Youtube noch in den Kinderschuhen steckte. „Where were you in 2004?“, fragte Sänger Joel Madden deshalb nicht ohne Grund die Fans.
Good Charlotte laden an diesem Abend zur Zeitreise in die Anfänge des Pop-Punk ein. Viele Plätze bleiben leer, obwohl die Veranstalter einen Großteil der Halle mit einem schwarzen Tuch abgehängt hatten. Für großen Ärger sorgt bei den Fans eine kurzfristige Änderung der Spielzeiten, die nicht einmal auf den üblichen Facebookseiten angekündigt worden war. Obwohl auf den Tickets als Beginn 19.30 Uhr steht, spielen die Supports The Dose und Boston Manor bereits über eine Stunde vorher. Viele verpassen so die Acts, denn um 19.30 Uhr stehen lediglich Sleeping With Sirens auf der Bühne. Die ehemals im Post-Hardcore beheimatete Band gibt sich redlich Mühe, doch Sänger Kellin Quinn kann mit seiner zarten Stimme nur wenig Gute Laune verbreiten. Zwar ist der Sound gut abgemischt, doch trotzdem geht sein hoher Gesang häufig unter. Nach all dem Drama um die Vergewaltigungsvorwürfe gegen die eigentlich eingeplante Vorband Moose Blood (die daraufhin von der Tour gekickt wurde), sind Sleeping with Sirens aber ein insgesamt guter Ersatz, die viel Herzblut in ihre Performance stecken. Auch ältere Stücke wie „Do it now Remember it Later“ und „If I’m James Dean, You’re Audrey Hepburn” stehen auf der Setlist und stellen die Die-Hard-Fans zufrieden. Die meisten Good Charlotte-Fans verfolgen die Vorband allerdings anteilnahmslos.
Im Anschluss läuft das komplette AFI-Album „Sing The Sorrow“ zur Einstimmung vom Band. Die Platte von 2003 scheint die beste Vorbereitung auf die nun folgende Zeitreise zu sein. Zunächst beginnen Good Charlotte die Show aber mit zwei Songs ihres aktuellen Albums „Generation Rx“. Erste Begeisterungsstürme bei den Fans ruft aber erst „The Anthem“ hervor, ein Song der inzwischen auch schon über 15 Jahre auf dem Buckel hat. Insgesamt steht an diesem Abend eindeutig das 2002er Hitalbum „The Young and the Hopeless“ im Mittelpunkt. Vom neuen Album „Generation Rx“ werden inklusive Intro fünf Songs gespielt, die aber nicht viele im Publikum zu kennen scheinen. Laut mitgegrölt wird dagegen bei „Girls & Boys“, „Keep Your Hands off my Girl“ und „The River“.
Good Charlotte sind wie Limp Bizkit eine jener Bands, deren früher Erfolg sich nur wenig positiv auf das musikalische Schaffen auswirkte und die mit den Folgealben meist kaum erfolgreiches zustande brachten. Auch optisch erinnern die Maddenbrüder mit Caps und Baseball-Outfits an Limp Bizkit und durch ihre Fred Durst-Bärte auch an den Sänger. Nur den schwarzen Klamotten sind Good Charlotte aus ihrer Anfangszeit treu geblieben. Im Gegensatz zu Limp Bizkit kamen Good Charlotte nach einigen Jahren Auszeit aber wieder mit neuen Songs zurück, von denen zumindest einige, wie „Self Help“ auch live überzeugen.
Der Sound ist perfekt abgemischt und auch die Effekte, wie Rauch- und Feuersäulen, werden zwar sparsam, aber beeindruckend eingesetzt. Pogo-Kreise gibt es im Publikum nur selten, was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass sich die Altersstruktur bei Good Charlotte-Konzerten deutlich nach oben verschoben hat. „I just wanna live“ ist für viele eines der Highlights des Abends, ehe ausgerechnet „Lifestyles of the Rich & Famous“ das Konzert ohne Zugabe beendet. Jener Song über die Welt der Reichen, der Good Charlotte damals nie angehören wollten. Eine Überzeugung, die die Madden-Brüder relativ schnell über Bord warfen – spätestens als Gitarrist Benji Madden anfing, Paris Hilton zu daten. (Heute ist er im Übrigen mit Cameron Diaz verheiratet, sein Bruder mit Nicole Richie – so viel zum Gossip).
Insgesamt liefern die Amerikaner eine solide Nostalgieshow ab. Es dürfte spannend sein, wie lange Bands wie Good Charlotte und Limp Bizkit noch mit ihren fast 20 Jahre alten Hits touren können, ehe die Menschen diesen überdrüssig werden. Aber vielleicht zählen Pop-Punk und Nu-Metal ja irgendwann zum „Classic Rock“. Eines steht fest: Nostalgie verbindet.