In this Moment – Mother

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Die Mutter aller Alben

„Kennst du dieses Gefühl wenn dir Schmetterlinge im Bauch wachsen, du zittern musst vor lauter Gänsehaut und dir gleichzeitig heiß und kalt wird? Das ist das Gefühl wenn du richtig guten Shit hörst.“

Genau das war mein Kommentar an Kollege Justin, als ich das erste Mal das neue Album Mother von In this Moment durch gehört hatte. Ich konnte mich gar nicht mehr von dieser absoluten Großartigkeit an musikalischem Bann lösen. In this Moment hatten mich verzaubert, in ihre Welt entführt und verschluckt. Wie konnte ich so eine gewaltige Gruppe nur so lange übersehen haben?

In this Moment sind eine seit 2005 aktive amerikanische Metalcore Band (ich sage jetzt mal Metalcore, man ordnete sie über die letzten Jahre auch in Genres wie Gothic, Nu, Alternative, Groove ein, mit doomigen und elektronischen Elementen). Gründerin und Frontfrau ist Maria Brink, ein verdammt heißes Brett sowohl von Ausstrahlung, Aussehen und Attitüde her, als auch von ihrer gewaltigen, all einnehmenden musikalischen Präsenz. Die Band veröffentlichte bereits sechs Studioalben, das letzte, Ritual, erschien 2017. Ihren größten Hit hatte die spirituell tief verwurzelte Band, die Künstler wie Black Sabbath, Mötley Crüe oder Nirvana zu ihren musikalischen Einflüssen zählt, 2012 mit der Single Whore, die in den USA Goldstatus erreichte (Album Blood).

So, nach ein paar Eckdaten zur Vorstellung kommen wir nun zu den harten Fakten: Mother, das siebte Studioalbum von ITM besitzt 14 Tracks, welche ich euch im folgenden vorstellen werde. The In-between wurde bereits im Januar released, seit ein paar Tagen sind ebenfalls die Titel As above, so below und Hunting Grounds auf Spotify und Youtube zu hören.

Der Eröffnungstrack, The Beginning (Interlude), startet mit Katastrophenalarm-Sirenen die eine gefährliche und impressive Atmosphäre schaffen. Nach ein paar Sekunden beginnt Sängerin Maria Brink flüsternd folgende Zeilen mantra-like aufzusagen und schafft damit eine perfekte Einführung ins Album:

I am the God and the Devil around you
I am the Heaven and Hell you crave
I am the moon and the sun you bask in
I am the name written on your grave

Das Album beschäftigt sich mit dem Spirit der In this Moment bereits seit Beginn beschäftigt: Mythische Spiritualität, gekoppelt mit der Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, Himmel und Hölle, dem Göttlichen und dem Dämonischen. Trotz diesem konstanten Aufrechterhalten des immer gleichen Themas schafft die Band es sich auf Mother nochmal musikalisch weiter zu entwickeln.

The Beginning geht nahtlos über in den eigentlichen Opening Track Fly like an eagle. Geräusche gepaart mit rituellen Paukenschlägen die den Takt angeben, beginnt Brinks Stimme mit dem Text. Elektronische Parts und die hallende Stimme eröffnen uns hier bereits ein klangstarkes Meer, welches wir mit der Band wie ein Adler überfliegen können. Der Gitarrensound ähnelt einem Marschschritt, das Schlagzeug ist treibend.
Der Song ist übrigens ein Cover der Steve Miller Band, welchem ITM eine komplett neue Bedeutung aufzeigen.

The Red Crusade (Interlude) ist wieder ein Übergangstrack welcher uns mit den Worten Holy war, I’m in between zum bereits ausgekoppelten vierten Song der Platte überführt. Holy war, also der heilige Krieg, beschreibt die Gespaltenheit und Zweideutigkeit im Selbst – der Kampf zwischen Gut und Böse.

In-between, der vierte Track, ist zurecht zuerst released worden. Man könnte fast sagen, es ist der beste Song, ein einprägsamer Ohrwurm und musikalisch sowie thematisch sehr aussagekräftig für das komplette Album. Es geht, wie schon erwähnt, um den heiligen Krieg der in einem Selbst tobt. Mutter und Vater werden hier genannt, die das Gute, Engels- und Gottgleiche, so wie das Böse, Teuflische, Dämonenhafte vertreten bzw. in die Protagonistin interpretieren. Lyrisch ist der Text weit vorne, da er sich sowohl mit Gegensätzen und Metaphern beschäftigt (I am the high, the low?) als auch Verweise schafft auf die Wurzeln und die musikalische Entwicklung der Band : Beautiful Tragedy (Album 2007), sick like me (Single 2014), blood (Album 2012) und Whore (Single 2013).

Der fünfte Track sticht heraus. Legacy, ist eine Ballade die kaum vergleichbar ist mit Tracks früherer Alben und steht für sich. Er ermöglicht eine ganz andere musikalische Präsentation von In this Moment. Ein langsamer Track, der ganz anders, harmonisch, melodisch und positiv verträumt, daher kommt. Auch die Stimme von Brink beweist hier nochmal ein ganz anderes Können, da sie sich im Refrain komplett anders vorstellt, als sonst. Ein kleines Meisterwerk, wie ein Springbrunnen an Gefühlen der sofort zu Gänsehaut führt. Der Song ist wohl von Maria Brink, in Gedenken an ihren Großvater verfasst worden.

Dann passiert etwas mit dem wir alle wohl niemals gerechnet hätten: Dass sich In this Moment an allerlei Covern versuchen, ausprobieren und die Originalhymnen erfolgreich auf sich schneidern können, bewiesen sie bereits auf alten Alben (z.B. Black Wedding feat. Rob Halford; Original: White Wedding von Billy Idol). Auf Mother geht’s nun zur Sache, denn sie haben sich das getraut, was den Größten nicht mal einfallen würde: ein Queen-Cover.

Die Unvergleichlichkeit von Queen und Freddy Mercurys Stimme ist  allseits bekannt, etwas Neues aus einem der Meisterstücke dieser Legenden zu schaffen – Blasphemie. So erstarrte ich etwas als ich den Titel We will rock you las.

Aber In this Moment haben es geschafft: Der Song der ebenfalls Sing-Parts von den Rockröhren Taylor Momsen (The Pretty Reckless) und Lzyy Hale (Halestorm) beherbergt ist ganz großes Kino. Eine komplette Neuinterpretation, welche trotzdem den Geist des Songs bewahrt, durch zum Beispiel den charakteristischen Gitarrenriff Brian Mays, welcher bei der 2 Minuten Marke zum Besten gegeben wird. We will rock you erbt durch Brink, Momsen und Hale eine neue, powervolle, feministische Interpretation und erhält so seine volle Daseinsberechtigung.

Nun beschäftigen wir uns mit dem Namensgeber des Albums: Mother. Nichts hätte besser passen können. Auch dieser Track beweist die Bewegung die, die Band im Vergleich zu ihren letzten Alben musikalisch machen konnte. Wieder zunächst langsame verspielte Musik die auf chorale Strophen und wiederholte Textpassagen trifft. Die hier besungene Mutter, wird direkt angesprochen und mit einer Göttin gleich gesetzt (Forgive us for our sins).

Die Lyrics spiegeln die spirituelle Beziehung von Maria Brink zur Figur und Rolle der Mutter dar. Eine aufopfernde Beziehung, wie zu einem Geistlichen für den man alles tun würde und an den man blind glaubt. Man sieht die Verbindung zu Marias Geschichte in welcher sie ihre eigene Mutter aus der Drogenabhängigkeit rettete und hört die komplette Ladung Emotion die in den Vocals mit schwingt.

As above, so below ist der achte Song von Mother. Er erschien bereits letzte Woche und ist der tanzbarste Song der Platte. Der verführerische Text, thematisch irgendwo zwischen Sex, Eifersucht und Karma (what you reap is what you sow) wird wieder mit ordentlicher Power  in Brinks Stimme dargelegt.  It all comes back threefold verweist sowohl auf das Karma, als auch auf das religiöse Thema (Dreifaltigkeit). Der Song ist durch Musik, elektrische Werkzeuge, Drops und Audiotune total catchy und lässt gar nichts anderes zu als sich mit zu bewegen und zu headbangen.

Born in flames beschäftigt sich wieder mit einem feministischen Götterbild (we are gods, raised by queens, born in flames). Brink setzt auf tiefe heilsame und liebevolle Töne die alles einnehmen. Die Musik ist langsam und würdevoll, fast schon episch. Auch hier gibt es wieder einige literarische Bilder wie das wiedergeboren werden aus den Flammen, eine phönixähnliche Verwandlung oder Erschaffungsstory.

God is she, fasst das Album gegen Ende nochmal thematisch zusammen: God is she – she is god!
Die Mutter ist Gott, das Weibliche ist göttlich. Die Frau und Protagonistin ist die Göttin der Dämonen, der Sünde und der Nacht, aber auch die des Himmels, der Sonne und des Tagtraum – im Gegensatz zum Alptraum. Sie kann alles zerstören, aber ist auch die Heilung der Krankheit. Sie ist Tempel und Kirche – spiritueller Ort der Gläubigen. Musikalisch gibt’s hier auch nochmal ordentlich auf die Fresse, was schon nach ein paar Sekunden klar wird: Fucking Heavy Metal gepaart mit sexy Feminismus – i love it. 

Um auch die Männer mal nicht zu kurz kommen zu lassen, spielen wir nun den Track Holy Man an. Der Wunsch Brinks nach einem heiligen Mann, erinnert mich in der ersten Strophe stark an Momsen und The Pretty Reckless. Rhythmisch trägt diese uns zum Refrain, welcher sehr melodisch daher kommt und uns Einblick in die bittende, sexy Klage der Sängerin bietet. Besonders an diesem Track: Orgel am Anfang und Ende.

Hunting Grounds ist ein Feature mit Sänger Joe Cotela der Band Ded. Das Duett besticht durch Ping Pong – haftes Antworten in Strophen und dem wunderschönen Zusammenwirken der Stimmgewalten im Refrain. Gleichzeitig romantisch und gleichzeitig gefährlich wirkt dieser Track der die Gedankenwelt zweier Krieger oder Tiere beschreibt, welche darauf hin fiebern sich auf den Jagdflächen gegenseitig nieder zu strecken (one of us is going down – i say let’s do this anyway). Musikalisch nochmal ein spannender, metallischer Track der einen brutalen Break bei ca. 03.20 min hat.

Lay me down, lässt anders als erwartet (ja nicht so weit gedacht), ein Beerdigungsthema aufläuten. Absolut besonders und charakteristisch für dieses Lied, ist der brummende Männerchor der mich an einen rituellen Wickinger-Marsch erinnert. Die Vocals, die Sing- und Schreistimme erinnern an frühere Stücke wie Whore (2012). Die Lyrics sind positiv und motivierend.

I grow stronger with your gun to my head
See I’ve lived and died a thousand times
I’ll climb out again
Lay me down, you’ll never lay me down

See I’ve lived and died a thousand times -I’ll climb out again ist wieder eine Referenz zum Blood Album (Out of Hell).

Abschließend kommen wir zum letzten Track, Into dust. Ein fast 7 Minüter, welcher wieder eine neue Seite von In this Moment aufzeigt. Zu Beginn stimmt uns das gebetsgleiche Mantra, welches das Album nochmal zusammen fasst: She is god and god is she – i am her and you are me, ein.

Ein heftiger Schallschlag hallt, ein Klavier ertönt, es spielt eine wiederkehrende Melodie die langsam und ehrwürdig ist. Auf Brinks Stimme ist ein Hall gelegt, diese erzählt nun nicht mehr in der typisch sexy-verführerischen Manier, sondern viel mehr mit mystisch-geistlich-klagender Inbrunst von zwei Wesen die sich nicht mehr kennen, kälter und ruhiger werden und schließlich zu Staub zerfallen. Man hört und spürt die Trauer und die Emotionen. Jeder der nicht aus Stein ist bekommt bei diesem Song Pipi in den Augen oder zumindest eine gehörige Wallung an Gänsehaut über den ganzen Korpus verteilt.

Der Song und das Album klingen mit dem Song aus, welcher von einem Geräusch wie einem Maschinenleerlauf begleitet wird, der dann aber auch leiser wird un schließlich bei 06:41 min verstummt.

FAZIT: Wow, wow, wow. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich habe mich jetzt den ganzen Tag mit diesem Album beschäftigt und wow. Ich bin immer noch geflashed. Jeder Titel steht für sich und trotz dessen funktioniert das immer gleiche Thema in jedem Song ganz neu. In this Moment haben sich mit Mother mehr als nur übertroffen, sie haben ein Meisterwerk, die Mutter aller bisher da gewesenen Alben ihrerseits erschaffen. Musikalisch so wie lyrisch. Ich werde mir jetzt erstmal die physische Ausgabe zu legen und das solltet ihr, wenn ihr bis hier hin gelesen habt, auch tun.

FAZIT FAZIT: Ein berührendes, emotionales Album, was nicht an Heavy Metal oder Sound einbüßt sondern ihn, im Gegenteil, auf ein ganz anderes Level hebt. In this Moment – Mother ist verführerisch, sexy, atemraubend, powervoll, heavy und zu gleich wunderschön, tiefgreifend und romantisch. 10 von 10. 

Unser Fazit


Artwork
10
Sound
10
Lyrics
10