Interview: Antiheld / 02. November 2019 / Hannover

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T.Rommel

Es war der erste Samstag im November, aufgeregt wie ein Sack Flöhe aber voller Vorfreude sind wir auf dem Weg nach Hannover um Antiheld zu einem Interview vor ihrem Konzert im Indiego zu treffen. Nachdem wir freundlich empfangen und mit kalten Getränken versorgt wurden, machten wir es uns auf der Couch im Backstage des Indiego gemütlich um einige Minuten später auf Frontmann Luca, meinen Interviewpartner zu treffen. Auch von ihm wurden wir sehr freundlich empfangen und auch nochmal nach Getränken gefragt – gastfreundlich ohne Frage. Meine Nervosität war deutlich spürbar und so erwähnte ich das vor dem eigentlichen Beginn und Luca versicherte mir, er sei ein guter Interviewpartner, aber daran hatte ich auch keine Zweifel und so starteten wir.

 

Ihr habt heute euren vorerst letzten Tourtag, in welcher Stadt war denn das Publikum am überraschendsten für euch?

Luca: Tatsächlich auf der ganzen Tour. Wir haben aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen, über die ich mich aber einfach sehr freue, ich nehm die einfach mal als gegeben hin – einen riesen Schritt gemacht und es war eigentlich die ganze Tour rappel voll. Gestern Hamburg ausverkauft, heute fast ausverkauft – 450 Leute. Es fehlen glaub noch 20 Tickets oder so und dann ist der Laden auch voll. München war voll, Köln war voll. Es ist überall ganz arg großartig, wir haben ein Wahnsinns-Highlight jetzt Ende des Jahres noch in Stuttgart. Und dementsprechend, ich möcht mich da nicht festlegen, wer da jetzt am krassesten war. Gestern in Hamburg war schon krank einfach, weil die Leute so durchgedreht sind, aber es war jede Show ganz eigen und ganz magisch.

 

Das klingt doch gut, dass keine Stadt besser oder schlechter war.

Luca: Nein, aber was man noch merken kann, dass es ein leichtes Ostgefälle gab. Dresden, Leipzig ist allgemein ein bisschen schwieriger. Da kommen einfach weniger Leute, das ist einfach so. Das war auf der ersten Tour schon so, wir haben aber auch dort unsere Schritte gemacht, nur sind diese Schritte halt in anderen Dimensionen. In Hamburg waren auf der ersten Tour 180 Leute und gestern halt 400. Das ist natürlich ein anderer Schritt, als in Leipzig, da hatten wir beim ersten Mal glaube 65 zahlende Gäste und dieses Mal waren es knapp 200. Das ist immer noch nicht die mega Masse aber es ist eine Tendenz zu sehen und deswegen freue ich mich da trotzdem drüber. Es ist trotzdem schön. Dresden und Leipzig sind noch kleine Ausreißer noch nach unten, aber wir geben nicht auf.

 

Das wird ! Wie läuft so ein Tourtag bei euch ab?

Luca: Tatsächlich ist das alles relativ routiniert. Der nächste Tag beginnt am Ende des letzten Tages. Man geht abends ins Hotel, dann schaut jeder das er soviel Schlaf wie möglich abbekommt und dann geht es morgens meistens relativ früh los. Alle verabreden sich zum Frühstück oder auch nicht , ich bin eigentlich der einzige der nicht frühstückt, weil ich einfach lieber so lang schlaf wie es nur geht. Dann steigen alle in den Tourbus und dann fährt man zur nächsten Venue und kommt da an, so 15 / 16 Uhr. Dann wird die ganze Backline in den Laden reingeladen, aufgebaut – Soundcheck gemacht. Dann hat jeder so seine Aufgaben, wir haben jetzt die erste Tour so richtig mit Backliner, das ist natürlich auch schön. Adam, der gerade neben mir sitzt check dann meine Gitarren durch, in der Zeit habe ich dann Zeit sowas ( wie dieses Interview ) zu machen. Und dann gibt´s das Ritual das ich die Vorband ankündigen werde. Da geh ich kurz auf die Bühne, sag Hallo und dann startet die Vorband. In der Zeit, während sie spielen, machen wir uns ready, ziehen uns um. Singen uns warm. Und dann gehts auf die Bühne und dann Rock’n’Roll. Und dann hinterher Merchandise – Autogramme, Fotos machen und alles was dazu gehört. Und dann gucken alle wieder, dass sie so schnell wie möglich ins Hotel kommen und soviel Schlaf kriegen und dann geht´s am nächsten Tag genauso weiter.

 

Also nichts mit Party machen hinterher?

Luca: Das gibt es schon auch und natürlich wenn ich jetzt weiß, heute – morgen fahren wir nach Stuttgart zurück, dann hab ich auch irgendwie Bock hinterher ein paar Bierchen zu trinken, aber das ist bisschen gemischt. Es gibt so Abende da hat man Bock, irgendwie was zu machen und dann gibt´s so Leute die können sich das eher erlauben, andere können sich das weniger erlauben. Aber so die krassen Party Eskalationen in der gesamten Crew gibt es eigentlich nicht. Dafür ist es doch auch einfach zu anstrengend. Das lernt man auch irgendwann, dass der Schlaf echt heilig ist und das der dich durch dieses Tourleben durchbringt – das ist einfach wichtig. – Glaubst du mir nicht so richtig,gäh?

 

Doch, kann ich mir vorstellen, da du ja Termindruck hast und ausgeschlafen sein willst, musst du schon auf irgendwas verzichten – müssen ! Und da morgen frei ist, ist es verständlich, dass du dann heute Abend einfach mal die Sau raus lassen kannst.

Luca: Und gerade für mich als Sänger, was auch viele nicht wissen, die Stimme ist einfach ein Muskel. Dass ist nix anderes ob ich jetzt ein Fußballspiel mach oder ob ich hier – 2 Stunden mir auf der Bühne die Seele aus dem Leib schrei. Das ist einfach – Sport. Und wenn du jeden Tag ein Fußballspiel hast, musst du gucken das du dich dazwischen regenerierst, sonst machst du das einfach nicht lange. Und da ich sehr, sehr viel Bock drauf hab, dass das nicht meine letzte Tour ist, sondern.. Wird es nicht sein ! Nein, wird es nicht sein. Deswegen muss ich einfach nach mir schauen.

 

Der Festivalstalker verfolgt euch fleißig und wir haben gesehen ihr geht nächstes Jahr wieder auf Tour. Und bekanntlich ist nach der Tour  ja vor der Tour…

Luca: Das ist schön, dass wir jetzt dieses Standing als Band erreicht haben, dass wir einfach auch regelmäßig touren können. Morgen ist erst mal Feierabend, dann haben wir unseren Jahresabschluss Ende Dezember. In der Zwischenzeit schauen wir, dass wir neues Material erarbeiten, dass neue Songs geschrieben werden. Dann muss ja auch irgendwann eine dritte Platte kommen. Das muss man ja auch alles nebenher machen. Dann werden Musikvideos gedreht und dann gehts direkt Februar – März – April wieder los auf Tour. Dann wahrscheinlich ab Ende April – Anfang Mai in die Festivalsaison rein und dann Ende des Jahres wahrscheinlich wieder ´ne Tour. Das weiß ich nicht, aber wenn es so läuft wie bisher, dann wird es so weiter gehen.

Das klingt auf jeden Fall sehr gut.

Luca:Ja, wir können auf jeden Fall nicht meckern.

 

Du sagst ‚danach‘. Ihr arbeitet jetzt aktuell nicht an was Neuem? Oder schreibst du nebenbei?

Luca: Ja ich schreib die ganze Zeit. Ich habe ja auch meine Off-Days dazwischen und die nutze ich auf jeden Fall zum Songwriting. Das mache ich aber nicht weil ich es machen muss, sondern weil es meine Leidenschaft ist. Ich muss einfach zu Hause sitzen und  Songs schreiben. Das ist mein Lebenselixier. Arbeiten schon, aber nicht als Band, weil wir einfach noch nicht die Zeit dafür haben. Ab morgen tatsächlich wird´s ruhiger und wir haben für Montag schon das erste Date im Proberaum geplant. Dann werden wir anfangen neue Songs zu machen.

 

Wie schreibst du deine Ideen auf? Ganz klassisch: Zettel und Stift? Oder eher ins Handy?

Luca: Dadurch, dass ich den ganzen Tag schreibe, tippe ich sehr sehr viel in mein Handy rein. Ich schreibe tatsächlich auch sehr gerne, aber da brauch ich wirklich Zeit dafür. Also wenn ich wirklich weiß, ich hab ein, zwei Tage Zeit und ich möchte in diesen ein, zwei Tagen einen Song wirklich fertig schreiben, dann bin ich ein Fan dieser analogen Oldschool Arbeitsweise. Dann sitze ich auch viel mit Stift und Papier da, aber auch viel mit’n Macbook. Heute ist es sehr einfach, auch als Songwriter, auch schon selber Ideen die über ein reines Songwriting hinausgehen festzuhalten. Ich kann selber zu Hause paar Demos produzieren, mir auch schon über die Musik Gedanken machen. Ich schreib relativ klassisch mit Akustikgitarre, schreib das auch nie getrennt – Text & Musik. Eine Frage die oft kommt. Ich schreib das immer zusammen alles. Und dann ist mein Handy voll mit Sprachmemos, in denen ich Songskizzen habe, wo ich manchmal nicht mal einen Text zu habe. Da habe ich dann irgendwie Akkorde, eine Melodie und singe bubli babli di… Aber eigentlich arbeite ich die ganze Zeit an neuem Material

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Also selbst auf dem Klo… ?

Luca: Immer. Vor allem da am meisten. Ich bin auch schon die ganze Zeit am überlegen, ich brauche ganz dringend eine technische Möglichkeit, um unter der Dusche Ideen festzuhalten. Ich hab schon überlegt, ich brauche eine wasserfeste Tafel oder so, wo ich drauf schreiben kann. Wie viele Duschen ich in meinem Leben schon unterbrochen habe und ich nackt -splitterfaser nackt und klatsch nass durch meine Wohnung renn‘ und Stift such‘, weil mir immer beim Duschen Ideen komm‘, ich weiß nicht warum. Da ist man so ganz bei sich und dann sitzt man da so oder steht da so und es ist warm und das Wasser prasselt auf einen runter und dann macht mein Kopf sofort alle Schranken auf. Und dann fallen mir immer ganz viele Sachen ein. Ich brauch da irgendwas um unter der Dusche Songs schreiben zu können. Irgendwann muss jemand was Schlaues erfinden.

Vielleicht machst du das selbst und kannst dann dein Patent drauf anmelden. Unter der Dusche, beim Songwriting…

Luca: Antiheld Songwriting unter der Dusche

( alle lachen ) – Henry, der gerade durch läuft: Geil !

 

Wer darf einen fertigen Song als erstes hören?

Luca: Es ist unterschiedlich, aber als Beispiel: Das ‚Goldene Schuss‘ – Album hat eigentlich niemand gehört vor Release, außer unsere Plattenfirma. Aber selbst die haben es nicht mal zu 100 % gehört. Unsere engsten Arbeitspartner, unser Management, unsere Booking Agentur, die uns schon sehr lange betreuen und zu denen wir eine sehr enge Vertrauensbasis haben, die hören das natürlich auch. Ich hab das komplette Album vor Release nur einem Menschen gezeigt und das war mein Papa. Ansonsten eigentlich niemand. Weil das auch eine gewisse Erwartungshaltung schürt. Das macht alles spannender als wenn alle alles kennen. So Leute wie Plattenfirma, Management, Booking Agentur ist natürlich unverzichtbar, die müssen ja auch wissen, mit was arbeiten wir in Zukunft. Wir haben da sehr sehr gute Leute und sehr viel freie Hand. Unsere Plattenfirma fand das Album so geil, die haben mit uns nur darüber gesprochen, was wird ´ne Single und was nicht. Aber nicht, den Song finden wir scheiße oder den solltet ihr umschreiben.

 

Wonach seid ihr gegangen, was eine Single wird und was nicht?

Luca: Ganz viel Intuition und Bauchgefühl. Was wir selbst meinten und dann die Meinung von unseren Partnern eingeholt. Wir müssen das Zeug erarbeiten und präsentieren, aber die sind die Leute, die es verkaufen müssen. Manchmal ist es so, dass eine Booking Agentur oder ’n Management oder ’n Label sich eine Single wünscht, die du als Band gar nicht so sehen würdest. Da muss man dann einen Mix machen aus eigenem Bauchgefühl aber auch Vertrauen. Wir waren uns da aber eigentlich sehr sehr einig. Es war allen klar, dass ‚Ma petite Belle‘ und ‚Goldener Schuss‘ die zwei Singles werden sollen. Also DIE zwei Singles. Und was wir mit den restlichen Singles machen war Ihnen dann egal. Es kommen ja auch nochmal zwei Singleauskopplung mit Video.

 

Habt ihr schon ein Datum dafür?

Luca: Nee nee nee, wir haben noch kein Releasedatum. Die Videos sind auch noch nicht gedreht. Das haben wir für „nach Hannover“ terminiert.

 

Welcher ist dein Lieblingssong vom ‚Goldener Schuss‘ Album ?

Luca: ( wie aus der Pistole geschossen ) GOTT ! Weil diese Nummer so kontrovers ist und ich selber keine Ahnung hab worum’s geht in diesem Lied. Ich hab diesen Song in einer kompletten Trance geschrieben. Ich saß bei meiner Ex-Freundin auf dem Sofa, die hat zwei Katzen. Sie war arbeiten und ich hatte frei.  Ich saß auf dem Sofa und hatte irgendwie diese zwei Katzen auf’m Schoss und ich weiß nicht wie lang ich einfach nur in der Gegend rum geguckt hab und diese zwei Katzen gestreichelt hab. Ich war völlig apatisch, aber nicht unangenehm. Einfach völlig weggetreten und dann bin ich zu mir gekommen, hab meine Gitarre geschnappt und hab aus dem Nichts plötzlich diesen Song geschrieben – einfach so. Das hat für mich eine ganz besondere Magie. Ich interpretiere selber, obwohl ich diesen Song geschrieben hab, jeden Tag was anderes rein. Das ist für mich ein ganz klarer Favourite auf diesem Album.

 

Gibt es auch einen Song, den du nicht magst? Eigentlich mag man ja seine Lieder, aber gibt es einen den du nicht so gern hören würdest?

Luca: NE ! Die Frage ist gar nicht so blöd, es gibt Songs, auch als Künstler, die man selber nicht mag. Auf dem ersten Album sind Songs die ich nicht mag, weil das Songs sind, die die Plattenfirma unbedingt haben wollte. Die ich einfach auf den Tod nicht ab kann, wo man aber auch wiederum seiner Plattenfirma vertraut und sagt ok, wenn die das unbedingt machen wollen, dann macht man das halt. Aber genau diese Kompromisse gibt´s auf dem neuen Album gar nicht mehr. Auf dem neuen Album ist kein einziger Song, den wir nicht genauso haben wollten. Das ist das Kompromissloseste, was ich als Künstler jemals gemacht hab, dieses Album.

 

Also ist das jetzige Album – Das bist praktisch Du !

Luca: Total !

Und das davor „wie man mich gern hätte“ ?

Luca: Nein Nein Nein, das ist schon auch Ich, aber da sind so ein paar Facetten drin, die ich selber, wenn ich zu 100% entschieden hätte, nicht unbedingt so gemacht hätte. Ich würde nicht sagen, dass die Plattenfirma uns krass verbogen hat. Aber trotzdem: Das zweite Album ist auf jeden Fall zu 100.000% WIR ! Ohne einen einzigen Kompromiss! Und das ist ein sehr sehr schönes Gefühl.

Seid ihr noch da, nachher zum Konzert? ( Ich nicke mit einem dicken Grinsen ) Das werdet ihr auch nachher dann sehen, wir haben irgendwie ein Konzeptalbum geschrieben. Und das ist auch eine Konzeptshow – ich finde es einfach rund. Höhen und Tiefen, aus irgend einem Grund haben wir das geschafft, das alles da sitzt wo es sitzen muss. Das ist einfach ein richtig geiles Gefühl. Da geht man dann auch als Künstler total selbstsicher und überzeugt von dem was man da macht auf die Bühne. Weil man weiß, dass es sich gut anfühlt – dass es sich richtig anfühlt. Von daher diese Nummer, wo ich sagen würde, nee ist nicht so meins, gibt es auf dem Album nicht. Ich lieb‘ jeden einzelnen Song auf genau die Art wie er ist.

 

Wir verfolgen euch natürlich auch bei Instagram und haben vorhin gesehen, dass ihr mit einem Kuchen beschenkt wurdet. Was war den die berührendste oder verrückteste Fan Aktion die ihr bisher erlebt habt?

Kuchen kriegst du ja nicht jeden Tag geschenkt!?

Luca: Na ja… ( wir lachen ) Wir haben geile Fans, was mir jetzt auf dieser Tour im Gedächtnis bleibt, dass die uns jetzt ’n Kuchen backen, der zur Hälfte ‚Antiheld‘  zur Hälfte ‚Walking on Rivers‘ ist, ist unfassbar süß. Das ist eine total süße Geste. Ich steh‘ aber auch einfach auf so Kleinigkeiten, die nicht so mit der Tür ins Haus sind. Was ich total süß fand, ich hab irgendwo in Dresden beim Konzert fallen lassen, dass meine Lieblingsschokolade Ritter Sport Weiss mit ganzen Nüssen ist. Unsere Fans sind so aufmerksam, dass beim nächstliegenden Konzert, also in Leipzig, waren halt Leute da und ich hab‘ 5, 6, 7 solche Tafeln geschenkt bekommen. Wo Leute einfach zu mir kamen und ohne viel tam tam, einfach so „hier Junge, deine Schokolade“ ! Sowas find‘ ich halt mega süß.  Aber wenn´s tatsächlich um die süßeste Aktion geht, die ich so im Kopf hab, dann ist es tatsächlich gar nicht Fan-mäßig – vielleicht irgendwie schon, aber nicht so richtig. Das war am Ende der ersten Tour, da gab es auch eine Torte mit fett „ANTIHELD“ und „KEINE LEGENDEN“, aber die war von unserer Crew. Das heißt, da haben die Jungs und Mädels die damals mit uns auf Tour waren, die haben das irgendwie gemacht. Das fand ich wahnsinnig süß und ich glaub so die Aktion wo ich wirklich auch fast geweint hätte, das war… Wir waren mit „Versengold“ zusammen auf Tour und Tourabschluss war in der Nähe von Freiburg irgendwo, Memmingen. Ist das Freiburg? Auf jeden Fall in Memmingen war dieser Tourabschluss. Und wir waren die Vorband, wir haben den letzten Song gespielt und plötzlich schreit das komplette Publikum. Und ich dachte so „Was ist denn passiert?“. Jetzt haben „Versengold“ heimlich, so’n Kabuki-System an unseren Banner rangemacht und haben beim letzten Song unseren Antiheld-Banner gesprengt und der kam runter, einfach hinter uns. Das haben wir gar nicht mitbekommen. Und dahinter hing ein riesengroßer Versengold-Banner, wo riesig drauf steht „Danke Antiheld“ ! Da krieg‘ ich gerade Gänsehaut nur wenn ich…und das war von so’ner Riesenband so’nen Respekt gezollt zu bekommen und auch so’ne Liebesbekundung vor dem kompletten Publikum, das war schon schön. Und das war’n sie halt in dem Moment auch irgendwie Fans von uns. Das war echt richtig toll. Das war vielleicht das schönste, was ich bisher erlebt hab.

 

Wenn ihr die Chance hättet mit eurer Lieblingsband auf Europatour zu gehen, welche wäre das?

Luca: Ich hör ganz seltsame Musik glaub ich, für die meisten. Ich hab gerade so drei absolute Lieblingsbands, denen ich glaube wirklich aus der Hand fressen würde, für die ich alles tun würde, weil ich so dermaßen geflasht bin von diesen Platten. Die erste Band, das sind so meine absoluten Heros gerade, die heißen „Badflower“. Ich weiß nich wo die herkommen, ob das Briten sind oder Amis oder sonst irgendwas. Die Platte heißt ‚`“OK, I’m Sick“. Dass ist die beste Rockplatte, die ich je gehört hab‘. Ich find‘ die unfassbar geil. Auf Platz 2 wäre „Highly Suspect“, auch so’ne englischsprachige Rockband, die mir komplett die Schuhe auszieht. Und „Boston Manor“, das ist auch so’ne Band. Das sind so die drei Bands, also diese drei Platten höre ich gerade in Dauerrotation und wenn das nächste „Antiheld“- Album genauso klingt, dann ist es auf jeden Fall kein Wunder.

Also mit denen würdest du auf jeden Fall gern mal so…

Luca: Auf jeden Fall! Also ich glaub‘ ich würd‘ mir in die Hose kacken wahrscheinlich wenn ich die treffen würde, weil ich so Fanboy bin. Also auf jeden Fall, wenn die uns einladen würden auf ’ne Tour, dann wär‘ ich sofort dabei.

Also das kurbeln wir dann mal an…

Luca: Sehr sehr gerne! ( wir schmunzeln )

 

Wir waren ja bei deinen schönsten Momenten auf der Bühne – der mit dem Banner. Und was war dein peinlichster Moment?

Luca: puhhh… das ist schwierig zu sagen. Das ist tatsächlich sehr schwierig zu sagen, weil ich einfach auch das Glück hab mit ’ner unfassbar guten Band auf der Bühne zu stehen, mit denen ich mir eigentlich fast alles erlauben kann. Egal was ich für Scheiße baue, die fangen mich auf und peinlich wird’s dann eigentlich nie so richtig. Das ist eigentlich ganz geil. Ich kann mich an ein Konzert erinnern, dass hab ich aber schon so weit verdrängt, dass ich nicht mehr weiß wann und wo das war. Ich weiß dass es das gab, wo ich ums Verrecken ab Sekunde eins, ab dem ersten Ton mich selbst nicht mehr gefunden hab. Also ich hab eine Scheiße zusammen gesungen, das kann man sich gar nicht vorstellen. Aber jetzt gar nicht so, Texte laufen so unterbewusst ab, die spul ich eigentlich immer runter, aber auch so Töne einfach. Ich hab‘ die Töne nicht mehr getroffen und ich hab auch nicht den Hauch einer Ahnung gehabt, wo ich hin singen soll und wo meine Töne liegen. Das war ’ne Horror-Show. Das hat sich auch nicht gebessert. Es gibt immer mal so Songs, die schwierig sind, das kann mal passieren. Aber eigentlich fängt man sich irgendwann wieder, ich hab mich nicht gefangen. Anderthalb Stunden lang. Ich hab anderthalb Stunden lang Scheiße fabriziert und Gott sei Dank war’s immer noch so im Rahmen, dass sich jetzt niemand krass drüber aufgeregt hat.  Auch die Fans, die haben’s vielleicht gar nicht gemerkt, aber für mich war’s schlimm. Und wenn man dann einfach ein E-Piano in einer Band hat und selber denkt, das E-Piano ist verstimmt – was ja per se gar nicht sein kann. Dann bist du einfach – sorry – …dann bist du gefickt! Dann kannst du nix mehr machen. Du singst und du weißt nur es ist falsch, aber du weißt nicht warum. Das ist die Hölle, die absolute Hölle.

Aber gestolpert bist du jetzt noch nicht oder so…

Luca: Ach doch, doch! Ja, mich hats schon auf die Fresse gelegt. Ich bin auch schon von der Bühne gefallen, das hab‘ ich alles schon gemacht. Das find ich aber auch alles überhaupt nicht peinlich, das find‘ ich überhaupt nicht schlimm. Das find‘ ich einfach komplett Rock’n’Roll.

Das gehört dazu…

Luca:… Ja, wenn das passiert, dann passiert das halt. Henry hat – das ist schon sehr lange her – das ist bestimmt schon vier Jahre her, da hat er mich mal mit seinem Akkordeon ausgeknockt auf der Bühne. Wir sind durchgedreht, wie wir immer durchdrehen. Das scheiß Akkordeon wiegt halt 13 kg  und ich hab mich ganz blöd in Henry rein bewegt und er hat mir 13 kg Akkordeon volle Rotze an die Birne hin geklatscht und ich war einfach bewusstlos. Ich lag einfach kurz auf der Bühne, Lichter aus und kam so zu mir und dacht‘ so: Was ist passiert? Aber selbst das fand ich überhaupt nicht peinlich, weil das ist einfach… Also ich mein, Kurt Cobain ist durch sowas zur Legende geworden. Man macht Rock’n’Roll nicht, um ’ne perfekte Show abzuliefern, sondern du machst das, um das zu fühlen. Und wenn du dabei halt mal eine auf die Fresse kriegst, dann kriegste halt eine auf die Fresse. Das find ich gar nicht so schlimm, ehrlich gesagt.

Es kommt ja auch immer drauf an, was man selber für peinlich empfindet…

Luca: Eben. Und da find‘ ich so richtig kacke Singen viel schlimmer als wenn man mal von der Bühne fällt. Das kann halt mal passieren – mein Gott!

Wenn man noch über sich selber lachen kann ist noch alles gut, es sei denn du bist natürlich komplett bewusstlos, dann ist es ein bisschen schwieriger, aber…

Luca: Das war doch echt nur ’n paar Sekunden, aber ich hab auf jeden Fall kurz überhaupt nicht mehr verstanden was gerade passiert ist. Da hat’s einmal richtig gerummst, dann war’n die Lichter aus und dann lag ich da – wow, ja passiert.

Wir schmunzeln und bei Lichter aus, entschwand auch meine nächste Frage. Also spicken wir gemeinsam auf mein Büchlein und da ist sie wieder. Die Frage.

Welche Ziele es für 2020 noch gibt, Tour – Festival – Tour einerseits. Neues Album andererseits… !?

Luca: Ich mach mal ganz per se, ich weiß nicht ob 2020 direkt ein neues Album kommt. Keine Ahnung, das wird einfach laufen wies läuft. Ziele find ich ganz arg schwierig, wir haben so viel erreicht schon, wovon wir uns niemals gewagt hätten auch nur davon zu träumen. Das LKA in Stuttgart mit 1500 Leuten  ausverkauft. Das wird ’ne Zusatzshow geben, dass werden sicher 2000 Leute in Stuttgart. Das ist Crazy. Gestern in Hamburg 400, heute Hannover 400. Das ist einfach alles so krass. Ich hab eigentlich nur das Ziel, dass es auf jeden Fall so weiter geht, dass es tendenziell mehr wird. Aber vor allem, dass wir unseren Bock dabei behalten. Solang wir weiter soviel Spaß haben mit dem was wir da machen, wird das auch immer so weiter gehen. Dadurch ist diese Energie einfach grenzenlos. Und das ist eigentlich so mein Hauptziel. Und ich hab als kleiner Junge davon geträumt, in Stuttgart das LKA auszuverkaufen, mit meiner eigenen Band. Hätte nie gedacht, dass ich das mal schaff‘. Das hab ich geschafft. Deswegen ist für mich alles was da jetzt grade noch kommt, eigentlich so’n bisschen das Sahnehäubchen auf der Torte. Und alles was jetzt gerade ist, kann genauso bleiben wie’s ist. Aber ich freu mich natürlich auch wenn’s weiter geht. Und wie gesagt, wenn wir’s schaffen unseren Spaß dabei zu behalten und diese Energie. Dann wird’s auch weitergehen. Dann gibt’s nicht’s was uns irgendwie aufhält. Und das wünsch‘ ich mir. Dass diese Band so bleibt, dass diese Crew so bleibt. Dass das alles noch enger zusammen wächst und man da einfach eine Macht auf die Bühne stellt, die man so schnell nicht um schubsen kann.

 

Du kannst dir das also schon vorstellen bis ins Rentenalter so durchgehend weiter zu machen?

Luca: Nein, Nein! Nein auf gar keinen Fall. Ich möchte auf keinen Fall der alternde Campino werden, der immer noch versucht einen auf Punk zu machen, obwohl er schon lang‘ nicht mehr hinterher kommt. So, auf gar keinen Fall. Mein Traum – das ist aber wirklich Langzeitziel, mein Traum wär so die ‚Philipp Lahm Nummer‘, Weltmeister werden – aufhören. Ohne irgendwann zu merken, dass in der Bundesliga alle schneller sind als ich. Das will ich eigentlich nicht erleben. Mein Traum wär‘ jetzt das soweit zu treiben wie es nur geht. Alles mitzunehmen was nur geht. Und irgendwann an ’nem geilen Punkt zu sagen – That´s it.

Aber was wäre denn jetzt dein geiler Punkt, du mußt dir ja dann doch irgendwo eine Vorstellung machen. So „Einmal Mainstage da oder da“ …

Luca: Ne. Das kann ich dir nicht sagen. Ich hab früher immer gesagt „Boar mal irgendwie Mainstage Southside – Hurricane – Rock am Ring sonst irgendwas so.“ Dann hat man das aber schon gemacht und denkt sich das kann’s jetzt nicht gewesen sein, weißte. Ich glaub das spürt man irgendwann. Irgendwann wird der Moment kommen, wo ich sag „so ok das reicht oder so.“ Vielleicht kommt der auch nie. Ich weiß es ja nicht. Aber das wäre so jetzt gerade in meinem jugendlichen Leichtsinn wahrscheinlich ’ne Vorstellung, die ich ganz sexy find. Vielleicht steh‘ ich aber auch mit 70  immer noch auf der Bühne und wir machen woanders ’n Interview – wer weiß.

Wir machen das mit 70…

Du hast kein Plan wenn es aufhört was du machen wollen würdest, oder doch?

Luca: Na klar, doch. Ich bin gelernter Heilerziehungspfleger, den Beruf hab ich nicht gelernt, weil ich den auf Teufel komm raus lernen musste, sondern weil ich’s wollte. Hab Zivildienst gemacht, fand das super geil, den Job – hab den gelernt. Und hab den mit sehr sehr viel Liebe und Herzblut gemacht und ich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn die krasse Bühnenkarriere irgendwann mit 40 oder was weiß ich, irgendwann vorbei ist, zu sagen ich bin jetzt Heilerziehungspfleger der nebenbei Songs schreibt. Ich bin bei SONY unter Vertrag, ich schreib auch Songs für andere Künstler. Das macht mir auch wahnsinnig viel Spaß, also ich glaub der Kunst den Rücken zudrehen, werd ich nie. Das wird glaub ich nie passieren, aber das Touren und dieses Band Ding und dieses Bühnen Ding, dass ist einfach anstrengend. Da brauch man sich nix vormachen. Ich hab eigentlich auf jeden Fall Bock irgendwie 170 Jahre alt zu werden oder so. Deswegen hab ich jetzt auch kein Bock, bis ich Mitte 30 bin, so zu verheizen, dass ich weiss ich werd keine 40 mehr. Aber ja, grad fühlt sich das alles so gut an und so gesund auch, macht alles so viel Spaß, dass ich das echt nicht sagen kann. Es gibt viele Szenarien die ich mir vorstellen kann.

Aber Musik bleibt…

Luca: Ja natürlich. Ich hab schon immer Musik gemacht und ich glaub niemand ist Musiker, weil man das jetzt macht als Beruf. Sondern du bist Musiker weil du das lebst und weil du das liebst und weil das ’n Kanal ist. Das ist ein Ventil…Keine Ahnung. Ich bin Frontmann, dass ist glaub ich was das lernt man auch nicht, dass hast du einfach, damit kommst du auf die Welt oder halt nicht. Und ich hab’s halt „Gott sei Dank“, ich werd mir bei jeder Gelegenheit immer und überall ’n scheiß Mikrofon schnappen und irgendwas machen. Weil ich’s einfach brauch, dass ist ein bisschen wie Drogen nehmen. So richtig aufhören wirst du glaub ich nie. Aber wer weiß..

 

Wer weiß, vielleicht machst du auch mit 35 was  anderes., obwohl der Weg nach oben ist noch…

Luca: Ich glaub auch, wir haben noch einiges an Potenzial was wir ausschöpfen können.

Das sind ja jetzt noch die kleinen Clubshows, es geht ja immer noch größer, bis irgendwann dann in Hannover die Tui Arena voll ist…

Luca: Das wäre natürlich schön ja. Aber jetzt haben wir heute schon so viele Leute in Hannover, wie ich mir niemals hätte vorstellen können. Deswegen, ich genieß das jetzt heut erstmal und was morgen ist, ist morgen…

Wie findest du es, in Stuttgart. Findest du es schwieriger oder begünstig, weil da Heimvorteil ist?

Luca: Das kann man so nicht sagen, aber da muss ich wieder den Fussballvergleich bringen. Aber wo spielt man lieber? Auswärts oder im eigenen Stadion? Du kannst zu Hause als Kreisliga Mannschaft ’ne Champions Mannschaft schlagen, wenn die Fans da sind. Und das wird bei uns in Stuttgart genauso sein, ich bin mir ziemlich sicher das wir in Stuttgart über uns hinauswachsen werden.

Die Fans fahren  heutzutage aber auch mittlerweile einfach soweit, dass egal ist ob Heimvorteil oder nicht.

Luca: nein.. ja. Aber es ist trotzdem Fakt das du in München 80% Münchner hast und hier in Hannover 80% Hannoveraner. Und in Stuttgart sind´s halt einfach verfickt nochmal 1500 Stuttgarter – das ist einfach Wahnsinn – völlig Wahnsinn. Und die singen ja jetzt schon auf der ganzen Tour, jedes Wort von jedem Song mit. Das werdet ihr nachher auch hören. Und wie das in Stuttgart wird mit sovielen Menschen, das kann ich mir noch gar nicht ausmalen. Ich glaub das wird völlig verrückt.

Da werden wahrscheinlich dann auch die Tränchen fliessen…

Luca: Ja mit Sicherheit. Ich werd wahrscheinlich Rotz und Wasser heulen, da bin ich mir sicher.

Das ist aber auch schön, dass zeigt dieWertschätzung die du für deine Fans hast.

Auf was kann man sich heute Abend noch freuen? Wie wirst du den Abend gestalten?

Luca: Ich glaub so wie jeden Abend. Wir werden uns einfach zu 180%  die Seeele aus dem Leib reißen, für jeden einzelnen der da unten steht. Genau das werden wir machen, so wie wir es in jeder anderen Stadt auch gemacht haben.  Ich bin mir sehr sehr sicher, dass niemand aus diesem Konzert raus geht und sagt „Boar das war jetzt aber scheiße.“ Ich glaub da kann man sich auf jedenfall drauf freuen.

Wir freuen uns auf jedenfall.

Luca: Ja, geil..

Dann Danke ich dir auf jedenfall.

Luca: Sehr sehr gerne.

 

Wir verabschieden uns für den Moment, Luca geht sich noch stärken und auf die Show vorbereiten,  denn in diesem Augenblick startet auch schon der Einlass.

Wie das Konzert dann im Anschluss noch war, davon berichte ich euch in der Review. Freut euch drauf.