Das Jahr begann mit einer Reise. Peru, Bali, Thailand, Venezuela. Auf den wortwörtlich letzten Drücker schaffte es Marteria zu Beginn des Lockdowns aus Caracas heraus.
Über diverse Umwege strandete er schließlich auf Barbados. (Die Langfassung gibt es auf Nachfrage und ist so eine typische Marten-Geschichte, wie sie uns Normalsterblichen einfach nie passiert, diesem ewigen Lebemann und Überlebenskünstler dafür mit einer Regelmäßigkeit, die selbst eine Pandemie nicht auszuhebeln vermag.)
Dort begann er, Musik zu machen. Zunächst war es eher ein Mangel an Alternativen: Man kann schließlich nicht den ganzen Tag aufs Meer gucken und Banks-Bier trinken. Bald jedoch kam er in den Groove.
Tag für Tag ballerte er Skizzen in die Handy-App Voloco. Er tauschte Beats und Ideen mit DJ Koze und dem Synthmagier Siriusmo.
Er hing mit seinen langjährigen Produzenten The Krauts in Zoom-Calls und connectete nach Jahren auch wieder mit Yasha, mit dem er einst den Jahrhundertsong “Lila Wolken” aufnahm.
Zeitzonen verbinden eben, Ausnahmesituationen sowieso. Und mit Ausnahmesituationen kennt sich Marteria aus.
Der Plan jedenfalls stand: mit größtmöglicher Eleganz und voller Hoffnung durch das Feuerballszenario fliegen, “am besten in einer brennenden Cessna”, wie es Marten selbst ausdrückt. Irgendwo zwischen Isolation, Irrsinn und Internet fand er so Klarheit. Neuen Fokus. Frische Energie. Einen Sound.
Der Sound ist Rave, mit all seinen Dimensionen. Im karibischen Idyll, knapp 8.000 Kilometer entfernt von Berlin, gefühlte acht Millionen Kilometer entfernt vom nächsten Club, kanalisierte Marteria die Verheißungen und Abgründe der Nacht.
Nachtleben war für ihn immer mehr als schnöder Eskapismus oder Entertainment. Die Eskalation ist essentiell für sein Tun, sein ganzes Wesen.
“Am meisten reizt mich daran, dass ich nicht weiß, was passieren wird. Das Unerwartete. Das ist meine ewige Sehnsucht.”
Marteria-Musik im Jahr 2021 ist eine Hommage an diese Sehnsucht: doll und drüber und mit viel Liebe für die Lostness.
Mit seinem leise melancholischen Electro-Bounce ist “Niemand bringt Marten um” ein erster Vorgeschmack auf diese Musik: ein kleiner Blick zurück – aber in dem Wissen, dass es zum Glück schon in die Zukunft geht. Marteria reflektiert auf dem Song sein persönliches 2020, aber auch die Themen, die uns alle beschäftigt haben: das Virus, die Polarisierung. Für Marteria war das Private stets politisch, und umgekehrt. Umso schwerer war es für ihn, ein Jahr lang wirklich nichts zu sagen, auch nicht zu solchen Themen, die das Wesen unserer Existenz berühren. Als Vollblutmusiker aber wollte er mit einem Song zurückkommen. “Niemand bringt Marten um” ist dieser Song. “Kids treten meine Statue um / Doch mir egal, ich mag die Jungs.” So kann man die Dinge eben auch sehen. Marteria back.