Ostberlin Androgyn – „Im Osten nichts Neues“
Sie bringen eine Soft-People-Perspektive in den deutschsprachigen Rap: Ostberlin Androgyn geben all den Cool Kids eine Stimme, die nicht das größte Maul haben oder sich hart fühlen. Jenen, die keine Kohle und keinen geilen Job haben, sondern lieber kiffen als sich ums Hustlen zu kümmern. Gregor Easy, Kanye Ost und Spoke „wollen coole Musik machen“, ohne auf Inhalte zu verzichten. Mit dem Hamburger Indie-Label Audiolith haben sie nun ihre Labelheimat gefunden.
Rewind in die Postwendezeit: Im Innenhof ihrer Hohenschönhausener Plattenbausiedlung treffen sich Kanye Ost und Gregor Easy zum gemeinsamen Bolzen mit den anderen Kids aus dem Viertel. Ihre Wege kreuzen sich erst etwa eine Dekade später wieder: Als Teenager eint sie das linkspolitische Engagement sowie die Leidenschaft für HipHop und das Interesse an Sprache und Musik. Letzteres leben sie in verschiedenen Bands und auf Poetry Slam- Bühnen aus. Ostberlin Androgyn starten sie 2016 zunächst als Spaßprojekt – Easy und Ost wollen sich selbst und der Welt beweisen, dass Deutschrap keine toxische Männlichkeit braucht. Die Resonanz ist gut, und aus Spaß wird spätestens dann Ernst, als nach Veröffentlichung der ersten EP „Takeover 2017“ Producer*in Spoke das Trio komplett macht. Spoke hatte sich bis dato bereits als Produzent*in und DJ in der Bass Music-, HipHop- und Grime-Szene einen Namen gemacht, stand mit Artists wie Kaye auf der Bühne und war Mitglied bei Psychedelic Orchestra.
Mit einer klaren gemeinsamen künstlerischen Vision zwischen wavy Trap, politischer Metaebene und grüner Brille entsteht 2018 das „Mixtape #1“. Ein Jahr später folgt mit der selbstbetitelten zweiten EP die erste Vinyl-Veröffentlichung der Crew. Nach zahlreichen Bühnenabrissen, unter anderem auf dem Fusion Festival, zieht sich das Trio in Spokes Studio zurück und die Arbeit an neuen Tracks beginnt: „Unsere Musik ist technischer und schneller geworden“, analysiert Spoke das neue Material, wobei das Erfolgsrezept der OA- Instrumentals erhalten bleibt. Elektrisierende Bässe bieten die Grundlage für verspielte Melodiefragmente mit viel Liebe zum Detail und immer wieder überraschenden Wendungen in den Produktionen. Monotone Loops gibt es bei Spokes Trap-Beats nicht. Kanye Ost erläutert den Anspruch an die neuen Releases: „Wir hatten halt Bock auf guten Rap. Den Pop-Faktor aus unseren alten EPs haben wir für das neue Material ein Stück weit hinter uns gelassen.“
Inhaltlich bleiben Ostberlin Androgyn dagegen ihrer Linie treu: Das Softie-Image steht nicht im Widerspruch zu krassen Punchlines. „Wir haben kaum klassische Härte-Faktoren, wie sie im Rap üblich sind: Sexistische Beleidigungen und Homophobie gibt es bei uns nicht. Wir provozieren lieber auf anderen Ebenen“, erklärt Kanye Ost. Damit stoßen die drei Artists auch immer wieder Diskussionen an: Über die Konflikte zwischen (post-)sozialistischen und kapitalistischen Wertevorstellungen zum Beispiel, die mangelnde Wahrnehmung ostdeutscher Stimmen. Oder um die Legalisierung von Gras.
Und es ist noch lange nicht vorbei: Ostberlin Androgyn öffnen das Fenster zum Hof und pumpen verlässlich neues Material zwischen grünen Rauchwolken hinaus in die HipHop- Welt. Spoke, Kanye Ost und Gregor Easy sind bereit, Spuren dort zu hinterlassen, wo sonst nur wenige Artists ihre Hood zelebrieren. Endlich wieder Ostberlin, endlich wieder androgyn. Endlich ein Gegenentwurf zur Mackerbubble, in der sich ein Großteil der HipHop-Szene bewegt.
Am Freitag um 21:00 Uhr spielt die Crew ein Releasekonzert live auf Twitch, schaut vorbei.