Review: Architects – The Sky, The Earth & All Between

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Fotocredit:
Offizielles Cover
7.9
Ambivalenter Fanservice

Rückbesinnung auf alte Stärken?

Bei kaum einer Band innerhalb der Metalcore-Szene dürfte die Diskussion über die Unterschiede der frühen Diskografie zu aktuellen Werken so umfangreich und hitzig gewesen sein, wie sie das bei der Metalcore-Formation Architects aus Brighton in den vergangenen Jahren war. Konservative, langjährige Fans schwören auf Klassiker wie „Hollow Crown“ (2009) oder „All Our Gods Have Abandoned Us“ (2016) und können sich häufig spätestens ab „For Those That Wish To Exist“ (2021) nicht mehr mit den Inhalten der Briten identifizieren. Grund genug sich anzusehen, wieso das Quartett dennoch gerade über die letzten fünf Jahre deutlich an Audienz hinzugewinnen konnte. Was eignet sich dazu besser, als eine umfangreiche Wertschau des neuesten Longplayers „The Sky, The Earth & All Between“.

Vielversprechender Start

Chronolgisch korrekt lässt sich die Geschichte des Albums bereits auf Dezember 2023 zurückdatieren. Hier erschien mit „Seeing Red“ der Track als Standalone, der sich später als erste Single entpuppen sollte. In knapp vier Minuten werden hier o.g. Langzeit-Anhänger ordentlich aufs Korn genommen. Sänger Sam Carter kanalisiert seine angestaute Wut über diese in den tobenden Strophen, die dann in einen ohrwurmreifen Refrain münden. Ironischerweise liefern Architects mit Seeing Red zum ersten Mal seit Jahren wieder im Ansatz das, was sich ältere Fans so sehr von der Gruppe wünschen, obwohl es dennoch als großer Mittelfinger an eben Jene zu verstehen ist. Der Song wird zum verdienten Opener der Live-Setlist und kann auch als Crowd-Anheizer überzeugen. Gerade der hohe Detailgrad an enthaltenen Verunglimpfungen und Memes, hebt ihn auf jeden Fall in den oberen Bereich des Bandkatalogs.

Knapp ein halbes Jahr später erscheint dann mit „Curse“ die zweite Single, welche einige Veränderungen mit sich bringt. Wurden der Vorgänger und alle anderen Songs der letzten Jahre noch von Drummer Dan Searle produziert, wird diese Aufgabe nun an Jordan Fish (Ex-Bring Me The Horizon) und Zakk Cervini (Mastering) für alle weiteren Songs übertragen. Curse klinkt sich stiltechnisch bei Seeing Red ein, gerade der Refrain klingt jedoch softer, was die Gunst wieder etwas in Richtung neuerer Fans verlagern sollte. Textlich kann der Song leider nicht an den starken Vorgänger anknüpfen.

Sie können’s noch hart

Darauf folgen die beiden Heavy-Hitter dieses Albums, namentlich „Whiplash“ und „Blackhole“. Mit diesen bringt Sam Carter noch deutlicher zur Geltung, dass er das Screamen und vor allem die tiefen Growls noch drauf hat. Gerade bei Blackhole verschwindet die allzu beliebte Strophe-Refrain-Breakdown-Struktur fast gänzlich, indem die Elemente fließend ineinander überführen. Müsste ich einem Oldschool-Fan einen Track des neuen Albums ans Herz legen, der ihn überzeugt, würde die Wahl wohl auf Blackhole fallen. Bei beiden sind definitiv die zugehörigen Musikvideos zu empfehlen, die fast schon cinematisch anmuten lassen und weiteren Kontext liefern.

Auf der Gegenseite stehen sehr synthlastige Balladen wie „Everything Ends“ und der Closer „Chandelier“. Hier überzeugt v.a. Ersterer mit seiner fast radiotauglichen Struktur und dem treffenden Refrain. Allerdings erinnert der Track durch den stark veränderten Gesang und die zurückgeschraubten Instrumente sehr an Bring Me The Horizons „Amo“ (2019), was bei der Vorgeschichte des Produzenten natürlich nicht überrascht. Allgemein kann sich The Sky, The Earth and All Between leider oftmals nicht eindeutig genug von Genre-Kollegen wie Wage War, Motionless in White oder eben Bring Me the Horizon differenzieren. Das fällt auch bei einem der beiden Feature-Tracks „Judgement Day ft. Amira Elfekey“ auf, der trotz reifer Gesangsleistung der Gastsängerin, sehr generisch klingt.

Gemischte Gefühle bei den Gästen

Positiv hervorzuheben ist dafür der zweite Gastpart „Brain Dead ft. House of Protection“, der Tempo und Härte erneut nach oben treibt und gleichzeitig einen sehr einprägsamen Chorus liefert. Der Album-Opener „Elegy“ könnte sich in Zukunft zum allgemeinen Show-Opener etablieren, da der Song sich langsam aufbaut, dann aber nach ca. einer Minute ordentlich an Fahrt und Härte gewinnt. Außerdem liefert der Text einen schönen „Überblick“ bzw. eine Zusammenfassung des Titels und zieht einen roten Faden durch den gesamten Song. Natürlich darf zum Ende auch ein ordentlicher Breakdown nicht fehlen:)

Fazit

The Sky, The Earth & All Between lässt sich wohl mit den Worten Durchwachsen und Neuausrichtung am besten zusammenfassen. Während einige Tracks bereits nach dem ersten  Hören Spaß machen und auch mit der Zurückbesinnung auf alte Stärken überzeugen, schaffen andere den Absprung von der Massenware im modernen Metalcore leider nicht. Wenn ich einen Tipp abgeben müsste, wird das elfte Album der Architects in der Rückbetrachtung eine Kehrtwende und einen wichtigen Schritt zu Neuausrichtung der Band darstellen, die jedoch mit der Platte selbst noch nicht gänzlich abgeschlossen ist. Das Quartett steht zwischen einer zwiegespaltenen Fanbase und muss sich entscheiden welchen Teil sie nachhaltig bedienen möchte oder wie sie – noch besser – beide Teile wieder vereint.

Redaktioneller Hinweis (JM): Die vergebene Punktzahl für „Artwork“ geht nicht in die Gesamtpunktzahl mit ein, da diese nur die musikalische Qualität widerspiegeln soll. Es wird versucht alle Bands/Künstler im Kontext ihrer derzeitigen Größe und Möglichkeiten zu bewerten.

Unser Fazit


Sound
9.5
Inhalt
7.5
Kreativität
7
Wiederhörwert
7.5
Artwork
9