Halestorm haben sich noch nie um irgendwelche Regeln geschert, sie haben jede Art von Trend ganz bewusst ignoriert und stattdessen einfach ihr Ding durchgezogen, auch wenn sie dafür im Verlauf der letzten 25 Jahre immer wieder Türen eintreten und Schneisen in die Rocklandschaft schlagen mussten. Rund um die Welt für ihre krassen Liveshows gefeiert, haben sich Lzzy & ihre Bandkollegen auch ganz tief in mein Herz geschlichen und begleiten, begeistern und überraschen mich seit Jahren am laufenden Band.
Schon mit der ersten Single-Auskopplung „Back From The Dead“ wurde EINIGES klar gestellt! Lzzy und Co waren erst mal aufgeschmissen, als die Pandemie über unsere Welt einbrach – Eine Band, die nie etwas anderes gemacht hat, seit sie 13 sind auf der Bühne stehen und ihr komplettes Leben der Musik verschreiben, konnte zum erstem mal nicht sagen, was passiert, nicht wissen, wann sie wieder spielen dürfen oder ob überhaupt jemals wieder. „Irgendwann habe ich die Musik dann wieder als das genutzt, was sie schon als Teenager für mich war – als Ventil, um das irgendwie zu verarbeiten, worunter wir alle litten.“ sagt Lzzy zu der ungewohnten Situation. Nach einiger Zeit dann auch klar, dass gerade WEGEN der ganzen Situation ein neues, starkes und noch lauteres Album her muss, ein Album, das die Menschen wieder zusammen bringt, ein Licht für die Hoffnung!
„Wir mussten uns einfach dermaßen nachdrücklich zurückmelden“, findet Lzzy. „Wir brauchten einen Song, der sagt: Hey! Wir sind wieder da! Es gibt für uns einfach nichts, was sich lebendiger anfühlt als unsere Liveshows. Wenn man die Bühne betritt, die Gitarre umgeschnallt, hinter dir die Jungs und vor dir das Publikum, das dich hören will – das ist das Größte. Jetzt feiern wir erst mal die Tatsache, dass wir wieder zusammen sind. Egal, welche Kraft es letztlich war, die versucht hat, das an mir und meinen Bandkollegen zu zerstören, was unsere Fans brauchen … sie hat’s nicht geschafft. Sie hat einfach versagt. Denn wir sind verdammt noch mal ZURÜCK!“
Ab Anfang 2021 kam die Band dann also im bandeigenen Studio in Nashville zusammen, um die neue Energie und die neue Stoßrichtung in neue Songideen zu verwandeln. Indem sie sich Scott Stevens von The Exies dazu holten, entstand schon wenig später die programmatische erste Single „Back From The Dead“. Wie viel Druck sich zwischenzeitlich aufgebaut hatte, hört man in den wuchtigen Distortion-Sounds der Gitarren, im Nachdruck des Schlagzeugs, nicht zuletzt in Lzzys Gesang.
„BACK FROM THE DEAD“ | Release: 06.05.2022
Noch mehr Power, Ehrlichkeit und Facettenreichtum
Legen wir also direkt los!
„Back From The Dead“ stellt, wie schon erwähnt, sofort klar: Sie sind zurück – Mit noch mehr Power und eingängigem Sound als davor! In guten 3,5 Minuten powert Lzzy gesanglich voll durch und der Song nicht vom Gas, denn selbst der kurze Breakdown-Ähnliche Part geht ohne in ein Loch zu fallen in’s Solo über und die folgende ruhigere Stelle baut weitere Spannung auf, die sich in noch mehr Kraft ergießt. Absolut top gewählter Opener und Titeltrack!
Mit gewohnter „Lzzy-Manie“ startet „Wicked Ways“ gleich mit Vollstoff weiter und erinnert ein bisschen an die älteren Songs. Allerdings spüre ich auch hier mehr Härte, noch mehr Wille und Lust an der Musik. Im Verlauf wird der Track tatsächlich zu einem der härtesten Halestorm-Songs die ich bisher gehört habe, was mir sehr gefällt. Thematisch bestärkt sich Lzzy hier wie so oft selbst und damit auch all ihre Hörer*innen – ein bedeutender und maßgeblicher Charakterzug der Band meiner Meinung nach.
Auch „Strange Girl“ schließt sich hier schön an, geht soundmäßig wieder mehr in Richtung Album „Vicious“. Durch Melodieführung und Halftime-Drums wirkt der Song schwerer als die bisherigen, eignet sich aber ganz hervorragend zum Mit-Nicken und -Singen! Eine Ode an die „Strange Girls“ dieser Welt, ein bisschen wie ein zweiter Teil von „Freak like me“.
„Brightside“ ist der „Verändere deinen Blickwinkel-Song“ des Albums. Lzzy motiviert hier, trotz aller Widrigkeiten und negativen Tatsachen (wir alle haben unsere Probleme, werden nicht von allen gemocht, kämpfen manchmal und am Ende sterben wir auch noch), ganz bewusst die schöne Seite zu fokussieren und sich nicht von Allem anderen beirren zu lassen, das wir ohnehin nicht verhindern können. „Just keep looking on the brightside of life, cause it only gets darker – we all need something to believe in“. Musikalisch nach „Strange Girl“ sehr gut eingegliedert gibt „Brightside“ wieder etwas mehr Gas und lässt dennoch noch gut Luft zum durchatmen. Das Solo etwas langsamer als „klassisch“, mehrere Voice-Effekte die dem Song tolle Höhen und Tiefen bringen.
Es folgt die zweite, von mir sehr geliebte, Singleauskopplung „The Steeple“. Hier erwartet uns, perfekt zum Mitträllern, ein ganz klassischer „Halestorm-Verlauf“ mit starkem Riff, eingängiger Melodie und Lzzys verlässlich starkem Sound. Schön gewählte Lyrics machen das Mitsingen noch leichter und genau hier ist das auch mit Sicherheit so gewollt, denn ich bin mir sicher, dass der Track eine der besten Live-Hymnen der Band wird! Mehr Einheit, mehr Gemeinsamkeit geht nicht.
Gänsehaut ab der ersten Sekunde erwartet mich bei „Terrible Things“, welcher mit Akustik-Gitarre und Lzzys ruhiger Stimme startet. Streicher und weitere Instrumente begleiten sie bei dieser sehr hinterfragenden Ballade. Die Stärke des Songs liegt in der Einfachheit – mit wenig Loudness hören wir Lzzy sehr zurückhaltend in einem Track, der mich ein bisschen an Myles Kennedys Solosongs erinnert. Nachdenklich stimmend spricht Lzzy hier ganz unverpackt Punkte an, die sich vermutlich jeder Mensch schon mal gedacht hat – ich möchte gar nicht zu viel darüber sprechen, denn das sollte sich wirklich Jede*r selbst anhören und spüren.
Mit lässigem Gitarrensound holt mich „My Redemption“ dann wieder aus der Nachdank-Wolke und mein Körper macht was er will: Fußwippen, Kopfnicken, Mittrommeln. Tatsächlich reißt mich der Song gar nicht so vom Hocker, aber die solide Qualität der Band ist so hoch, dass ich einfach nichts zum Aussetzen finde. Soundtechnisch hier auf jeden Fall wieder einer der „neueren“ passt er sich wunderbar in’s Album ein.
„Bombshell“ startet dann einfach mal ganz unerwartet wie der Trailer eines Actionthrillers. Dröhnender Basssound, starke Drums und reduziertere Gitarren neben Lzzys, mehr „gesprochenem“, Gesang werden begleitet von experimentelleren Effekten. Besser könnte man den Album-kürzesten Titel (3:06) „Bombshell“ praktisch nicht vertonen – bedrohlich und dennoch faszinierend, könnte wirklich der Titeltrack eines Films sein.
Lzzy’s back again in „I Come First“, gibt sich ihren, von manch verklemmten Kritikern kritisierten, Worten und Gedanken hin und macht in treibendem Sound klar, was angesagt ist! „I Come First, and I’m worth it!“. Ein weiterer Titel, der sich perfekt in ihre Musik einfügt und Lzzys Stimmtalent unterstreicht.
Mit „Psycho Crazy“ sind wir dann auch schon wieder beim vorletzten Titel, der sich nach keiner ganzen Minute in meinen Gehörgang windet und sich richtig schön Platz macht. Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber ich habe das Gefühl, die Drums hier mehr im Fokus zu haben. Die Gitarren machen ebenfalls geile Sachen und gegen Ende des Songs flippt Lzzy wieder richtig schön aus, was ich mir schon bei ca. der Hälfte des Songs sehnlichst gewünscht habe. Der Track wird auf jeden Fall auch mehrmals laufen!
Das Ende des Albums startet wieder leise: Klavier, Lzzy und eine eher ungewöhnlich poppige Melodie für Halestorm treiben mir wieder Gänsehaut über den gesamten Körper bei „Raise Your Horns“ (bei dem Titel hab ich wirklich was anderes erwartet, ich sagte ja, sie überraschen mich immer wieder). Hier beweist Lzzy mal wieder allen Skeptikern: Sie kann auch leise, klar und mit wenigen Screams ohne ihren Charakter zu verlieren! Auch der „poppige“ Anteil nimmt ihnen absolut nichts – das ist immer noch definitiv ein Halestorm-Song zu dem er sich auch ganz klar entwickelt.
Eine wunderschöne, kraftvolle Hymne als Abschluss eines weiteren grandiosen Albums, die ich definitiv noch oft mitsingen werde, denn sie geht unter die Haut!
RESÜMEE!
Abschließend noch ein paar Worte von Lzzy Hale:
„Inzwischen weiß ich gerade die kleinen Dinge viel mehr zu schätzen. Ich spüre so ein neues Vertrauen, und zwar nicht nur in mich selbst, sondern auch in die anderen Bandmitglieder. Wir sind nicht mehr dieselben, natürlich nicht, das könnten wir auch gar nicht. Aber Halestorm ist und bleibt die Sache in meinem Leben, die mich glücklich macht. Diese Band ist meine Verbindung … das, was einer Religion für mich am nächsten kommt. Und wir bewegen uns weiter. Ich hoffe, dass wir mit diesem neuen Album noch mehr von diesem Gemeinschaftsgefühl in die Welt bringen können. Jetzt ist eine sehr gute Gelegenheit dafür. Ich will, dass alle, die es hören, das Gefühl haben, sie könnten durch jede Art von Feuer gehen.“
Schon als sie zuletzt für einen ersten Secret Gig in Nashville wieder auf die Bühne kamen, war allen Anwesenden klar, wie laut und wie druckvoll dieses ZURÜCK tatsächlich klang: Halestorm waren durch die angestaute Energie eines unglaublichen Jahres noch lauter, noch wuchtiger, noch härter geworden. Inzwischen hat sich auch ihr Tourkalender wieder gefüllt – inklusive Festivalshows im Sommer und einer Co-Headliner-Tour mit Evanescence im Herbst 2022.