Itchy are bac! Und das auch noch auf Englisch. Am Freitag, den 7. Juli 2023, erscheint ihr neues Album „Dive“ über das bandeigene Label Findaway Records. „Dive“ bringt alles mit was wir von Itchy auch live gewohnt sind. Scheinbar hat die Live-Durststrecke und die zig-mal verschobene „Ja als ob“-Tour da ordentlich Einfluss drauf gehabt. Die Band ist über die Landesgrenzen hinaus berüchtigt für das Zelebrieren eskalierender Live-Shows. Die so oft verschobene Tour wurde final zur erfolgreichsten der Bandgeschichte und jeden Abend zeigten die frenetischen Anhängerscharen, dass nicht nur die Band die intensiven Live-Erlebnissen schwer vermisst hat. Das neue Album spiegelt die Spielfreude und Energie, mit der die Band Abend für Abend ihr Publikum zu körperlichen Höchstleitungen anstachelt, exakt wieder!
„Für uns ist das Schreiben von neuen Songs, auch nach so vielen Alben, immer noch die beste Art, uns und unsere derzeitige Gefühlslage auszudrücken.“ erzählt Sänger und Gitarrist Sibbi.„Während der Pandemie hat sich wohl so einiges in uns aufgestaut. Im Studio und auf den Festivals haben wir so intensiv gespürt, wie unfassbar geil es nach wie vor ist, eine aus drei Freunden bestehende Band zu sein, die immer noch mit jeder Faser für das brennt, was sie tut. Dieser kleine Reminder, dass nichts davon selbstverständlich ist, hat irgendwie nochmal neue Energie freigelegt.“, resümiert Sänger & Bassist Panzer.
Der erste Song des Albums war auch direkt die erste Single-Auskopplung. “Prison Light” zeigt ganz klar wohin die Reise gehen wird – back to the roots! Im Album-Opener wird energisch das Gaspedal durchgetreten und sich thematisch mit den eigenen Dämonen und Stimmen im Kopf angelegt, die einen nie so wirklich zur Ruhe kommen lassen.
„Wir haben bei dem Song – und eigentlich der ganzen Platte – extrem darauf geachtet, dass das ganze später vor allem da funktionieren muss, wo wir uns am wohlsten fühlen: in verschwitzten Konzertclubs und auf staubigen Festivalbühnen.“
Und wo wir gerade schon von Singles sprachen… Weiter geht’s mit “Thoughts & Prayers” worin Itchy sowas von eindeutig politisch Stellung beziehen – ganz klar gegen Rechts! Der groovige Pop-Punk Song besitzt absoluten Ohrwurm-Potential und befasst sich textlich mit den weltweit, immer mehr nach rechts abdriftenden Schaltstellen der Macht, in denen Korruption, Rassismus, Lobbyismus, soziale Ungerechtigkeit und politisches Versagen sich die Klinke in die Hand geben. Für das Video zu “Thoughts & Prayers” haben sich Sibbi, Panzer und Max was ganz besonderes ausgedacht. Um den Sarkasmus auf die Spitze zu bringen, ließen sich die Jungs graphisch in die Gesichter berühmt-berüchtigter Politikerinnen und Politiker morphen, um in ihrer Gestalt den Song zu performen. So werden sie zu Putin, Bolsonaro oder Alice Weidel. Dies ist sowohl für Fans, als auch die Band selbst, nur mit Schmerzen auszuhalten – passt jedoch zur Message des Textes aber wie die Faust aufs Auge.
„Es tut schon echt weh ein Musikvideo zu haben, in dem Donald Trump zu unserer Musik tanzt“, erklärt Sänger Sibbi. „Aber Max im Green-Screen-Ganzkörperanzug zu sehen, war alle Schmerzen wert!“, resümiert Panzer trocken.
Und wie geil ist bitte dieses hoch-getunedte „Bang Bang!“ im Refrain?!
Weil es grad so schön ist, sprechen wir beim dritten Song ebenfalls über eine Single – „Burn The Whole Thing Down“. Die Jungs aus Eislingen an der Fils sind ja bekannt für ihre überragenden und energiegeladenen Live-Shows, ebenso wie für ihren politischen Einsatz und dem Hang dazu ihre salzigen Finger in die offenen Wunden von Gesellschaft, Politik und Religion zu legen. “Burn The Whole Thing Down” verbindet all diese Elemente auf packende Weise und überrascht zudem mit einer ganz besonderen Zusammenarbeit: Für die bewegende Anti-Kapitalismus-Hymne stieg Anti-Flag-Frontmann Justin Sane mit in den Ring! Gemeinsam fordern sie etablierte politische Strukturen und konservative Werte endlich einzureißen, um aus dem Schutt eine bessere, fairere und nachhaltigere Welt aufzubauen. Ein passenderes Feature kann man sich einfach nicht vorstellen!
„Wir lieben Anti-Flag schon lange für ihre Musik und ihr politisches Engagement. Wir kennen uns seit Jahren von gemeinsamen Festivals und als wir den Song schrieben, wussten wir sofort, dass wir Justin fragen müssen, ob er Lust hat, dabei zu sein. Er war sofort Feuer und Flamme, ist trotz all seiner Live-Termine in Deutschland ins Studio gekommen und hat seinen Part eingesungen. Auch für das Video war er am Start – der Typ ist einfach der Wahnsinn“, erzählt Sänger und Bassist Panzer.
“Burn The Whole Thing Down” ist wirklich ein überraschungsreicher Song. Solch aggressive Töne sind wir von Itchy gar nicht gewohnt. Panzer schreit sich im Vers all seinen Frust von der Seele, während es im Refrain dann wieder etwas melodischer wird, bevor Justin Sane dann so richtig abgeht. Der Song richtet sich gegen die „Höher, weiter, schneller“-Mentalität unserer Zeit und Itchy kennen auch eine Lösung:
“It’s the one and only salvation, burn the whole thing down”
Im Video zu “Burn The Whole Thing Down” sieht man wie zuerst die Werte der Mächtigen erbaut werden, nur um dann von einem jungen Mädchen zerstört und durch ihre Werte ersetzt zu werden. Der Abschluss ist dann einfach wundervoll! Zu den Worten “burn the system down” nimmt das Mädchen die beiden “mächtigen” Herren an die Hand und führt sie in eine neue und bessere Zukunft.
Kommen wir nun (endlich) zu einem bisher unveröffentlichten Song. Es wird richtig groovy mit „You“ und die Reime sind auch nicht von schlechten Eltern.
„You are a walking déjà-vu
everyone you’re talking to
feels like they’re in a rerun of How I Met Your Mother.“
Wenn man nun jede Zeile ernst nimmt, könnte man „You“ als einen absoluten Self-empowerment Song deuten. Doch mich beschleicht nach dem mehrfachen Hören dann doch die Vermutung, dass eine gewaltige Ladung Ironie mit drin steckt in Zeilen wie:
„No one is as wonderful as you
and no one looks as perfect as you do
without you we would all descent
you should be our next president.“
Next up: „Dive“! Wenn ich dieses Intro höre, muss ich direkt schmunzeln. Denn es vermittelt das Gefühl, dass gleich der Podcast zu „DIVE“ startet und Sibbi, Panzer und Max einem wieder wahnsinnig lustige und unterhaltsame Geschichten erzählen. Zurück zum Song. „Dive“ hat absolut nichts mit Wasser und dem dazupassenden Tauchen zu tun. Es scheint eher so, als ob Panzer sein Leben auf der Bühne besingt und die dazugehörigen Gefühle.
„While I’m drowning in the crowd
Within the beats and melodies
It is easy to deny […]
Stamped wrist
Raised fist
Show time
Go!
And so I dive
Into the night
Into the sound where all the lights are shining bright“
Und das Video zu „Dive“ bestätigt wohl auch meine Annahme, denn es ist ein genialer Zusammenschnitt von Live-Auftritten.
Wie viele Singles kann man zu einem Album vorab veröffentlichen? Wenn’s nach Itchy geht eindeutig viele. „No One’s Listening“ erschien erst kürzlich, am 23. Juni 2023. Der Song handelt über die Missbrauchsskandale in der Kirche, welche immer wieder aufgedeckt werden und doch nichts passiert, um dies in Zukunft abzuwenden. Sibbi schreit sich hier einfach alle Wut von der Seele, während es musikalisch wirklich recht düster wird. Ein wirklich tolles Stilmittel finde ich den abschließende Glockenlaut des Tracks.
„I’m alright“ vermittelt einem erstmal ein wohliges Gefühl durch seine Summer vibes, doch eigentlich handelt der Song über das Eingestehen fehlender eigener Sozialkompetenz. Einfach wundervoll umschrieben. Nachdem man bei „I’m alright“ mal Zeit hatte sich etwas zu entspannen und Luft zu holen, geht es dann direkt wieder nach vorn mit „Hospital“. Es ist so ein Song, bei dem man direkt weiß wie geil dieser live wahrscheinlich abgehen wird. Also lernt am Besten alle schon mal die Lyrics, damit auf der anstehenden Tour ordentlich mitgesungen werden kann.
„You need to stay with us at the hospital,
you can’t get out until we make you well,
it’s always just another day.“
Doch dies waren noch nicht die besten Zeilen von „Hospital“. Denn der Song endet in der Bridge und mit der Zeile „Death is cashback“!
Weiter geht es dann mit „Afterglow“. Beim ersten Hören fühlte das Intro sich für mich wie ein Déjà-vu an und ich hoffe ich bin damit nicht allein. Klingt es nicht etwas nach „Fall Apart“ (All We Know, 2017)? Der Song handelt von einer innigen Freundschaft die dann endet und bei der man nicht wirklich begreifen kann wieso.
„So here comes another,
song about the failing of friendship,
by propping the anchor and sinking the flagship.
Is it really necessary to add one more of these?
But if this ain’t important, then I guess nothing is.
‚Cause we have been in love,
just like sister an brother.
now you’re walking your way and I’m choosing another
day is passing by without any connection,
[…]“
Kommen wir nun zu meinem absoluten Lieblingssong von „Dive“ – „Broke forever“ ist auch bereits als Single erschienen, am 27. April 2023. Sibbi besingt hier Luxusprobleme, die er so nicht nachvollziehen kann, weil sie für ihn keinen Stellenwert haben oder er sich diese einfach nicht leisten kann, weil er halt „Broke forever“ ist. Ich denke so manch einer wird sich in diesem Song selbst wiederfinden. Ab einem gewissen Alter kommen Leute an und erzählen von ihren Familie oder dem tollen neuen Auto und man selbst steht da und denkt, man kann nichts derartiges vorweisen. Doch das ist ja auch gar nicht schlimm. Schließlich sollte es das wichtigste im Leben sein, dass man glücklich ist.
„Why do the even bother to ask,
is the new Tesla really as fast?
Well I don’t know speed,
I’m using my feet.“
So langsam nähern wir uns nun auch dem Ende des Albums. Mit „Lie“ kommt nochmal richtig Schwung die Bude und „Come Join Us“ fühlt sich an wie eine Hymne an die Fans. Der Song gibt einem abschließend ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Verständnis, was einfach perfekt zu „Dive“ passt.
Bei den 12 Songs von „Dive“ ist einfach für jeden was dabei, was auch wohl daran liegt, das so viele unterschiedliche Emotionen vertreten sind. Neben klar politischen Songs mit krassen Aussagen gibt es auch eher melancholische Momente und vielleicht auch Selbstzweifel die ein jeder mal hat. Itchy beweisen, dass sie in den letzten 6 Jahren nicht verlernt haben auch englischsprachen guten Punk abzuliefern. Für mich persönlich ist „Dive“ der Anwärter für das Album des Sommers 2023! Ich freue mich darauf die Songs live zu erleben. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gab es bereits am 23. Juni 2023 auf der Kieler Woche und das war wirklich ein atemberaubendes Konzert!