Aus gegebenem Anlass veröffentlichen am Freitag, den 5. April 2024, KMPFSPRT ihr neues Album „Aus gegebenem Anlass“. Also ja, es heisst nicht nur so, sondern ein Anlass ist auch gegeben. Ich meine: Es ist 2024. Die AfD ist noch immer da, in Europa tobt ein Krieg, das Klima spielt verrückt, in den Innenstädten findet man keinen bezahlbaren Wohnraum mehr, Clubs sterben wie die Fliegen, Europa mauert sich zur Festung und vermutlich werden am Ende auch die Bayern wieder Meister. Wie soll man da bitte die Hoffnung wahren und nicht in negativem Fatalismus versinken? Doch statt im melancholischen Moll abzutreiben, kotzen sich KMPFSPRT so richtig aus und besinnen sich auf das, was sie in den mittlerweile 14 Jahren Bandgeschichte stark gemacht hat: Kämpferische Hoffnung, ein Sinn für Humor, Melodien, die man so schnell nicht aus dem Ohr bekommt und Texte, die unmissverständlich klarmachen, dass man mit Rassismus, Kapitalismus und Unterdrückung niemals seinen Frieden machen wird, aber weit davon entfernt ist, verzweifelt die Flinte ins Korn zu werfen und passiv den Status Quo zu betrauern.
Für ihr fünftes Studioalbum haben sich KMPFSPRT ein erneutes Mal mit dem Produzenten-Duo Kurt Ebelhäuser und Michel Wern (sonst tätig für z.B. Pascow und die Donots) zusammen getan und haben mit ihnen „Aus gegebenem Anlass“ von der Pike an aufgebaut. „Wir wollten zurück zum gemeinsamen Songwriting, alle zusammen in einem Raum, wie am Anfang der Band, ohne, dass jemand mit fertigen Songs in den Proberaum kommt“, so Gitarrist David Schumann. Außerdem haben sie mit diesem Album zu Rookie Records gewechselt, welches auch die Heimat von Pascow und Love A ist. Doch kommen wir nun endlich zum musikalischen Teil…
Ich wusste nicht, dass ich es brauche, bis ich es dank KMPFSPRT hatte: ein Album, dass mit der Zeile „Du sitzt bei Lanz!“ beginnt. „Aus gegebenem Anlass“ startet direkt voll in die Fresse mit „Das Ende aller Tage“. Hier wird mit all den angeblich „Konservativen“ abgerechnet, die Tag für Tag in den Medien versuchen ihre Hetze zu verbreiten. Doch ist nur die erste Zeile hier zu nennen doch ein zu krasser Cliffhanger.
„Du sitzt bei Lanz
und erzählst den Menschen irgendwas von Angst
Dein Koffer voll mit ungeschickt verpackten Ressentiments
Ein blinder Bürokrat – wahllos auf der Jagd
Glaubst du etwa ernsthaft was du sagst?
Du bist nicht das Ende aller Tage, nicht der letzte Nagel im Sarg
Du bist nicht die Antwort auf die Frage, wer oder was normal ist
Nein, du bist nur ein unzufriedenes N A Z I Schwein“
Auch im folgenden „Fast eine Jugend“ geht es um die Ansichten von kleinkarierten Spießern und Nazis. Mich hat dieser Song nun wirklich musikalisch überrascht, da hier sowohl Gitarre als auch Gesang im Staccato gehalten sind. Nach zwei solchen Brechern kommt „Bisher alles gut“ fast schon poppig daher, was nicht negativ gemeint sein soll, denn gerade diese locker-flockige Melodie im Vers unterstreicht den Break zum Refrain und die Message dahinter. Denn Zeilen wie „Es geht nicht, wie sie denken, dass es geht und es ist noch nicht zu spät“ spenden neuen Mut und zeigen einem, dass man nicht allein ist. „Bisher alles gut“ wurde bereits am 12. Januar 2024 als Single veröffentlicht. Ich denke der Song wird ein absoluter Live-Brecher. Wer dafür schon mal einen Vorgeschmack möchte, dem empfehle ich den Livestream vom WDR Rockpalast.
Aber da zur Zeit nicht nur Nazis scheiße sind, wird der Spot mal auf ein anderes sehr wichtiges Thema gerichtet. In „Sonne mit Zähnen“ geht es um die Klimaerwärmung und deren apokalyptische Folgen, welche leider im aktuellen Zeitgeschehen viel zu oft verherrlicht werden. Es sollte einfach nicht normal sein, dass die Temperaturen in unserem Breitenkreis auf die 40 Grad im Sommer zugehen. Der Song startet passend dazu mit einer solchen viel zu positiv klingenden Wetteransage. Doch nur ein kritisches Thema pro Song ist eindeutig nicht genug. So handelt „Sonne mit Zähnen“ ebenfalls darüber, wie manche Leute einfach weg ignorieren, dass vor unserer Haustür ein Krieg herrscht und Menschen sterben.
„Ein wunderschöner Tag und bunte Blumen überall
Beim Eis essen krieg ich nicht mit wenn anderswo die Bomben fallen
Die neu gekaufte RayBan auf denn die Sonne scheint so grell
Ein paar hundert Kilometer weiter steht ein Schild „Welcome to hell““
Der Song „Letzte Hilfe“ hat mich wirklich überrascht, denn musikalisch kommt er wie ein Anfang 2000er Ami-Pop-Punk Song à la Green Day oder Sum 41 daher. Inhaltlich handelt der Track von der Oberflächlichkeit die unsere Gesellschaft zerfrisst und wie ein Mensch daran kaputt gehen kann. Mit „Farben über Grau“ machen KMPFSPRT dann einen thematischen Break. Denn hier wird nicht kritisiert und es ist komplett unpolitisch. Der Track ist ein klassischer Punk-Love-Song.
Mein absoluter Lieblingssong von „Aus gegebenem Anlass“ ist „Fliegenfriedhof“. Der Song ballert einfach direkt in die Fresse und ich persönlich kann den Text voll und ganz nachvollziehen.
„Ich war noch niemals morgens wach,
ich war noch niemals abends müde
Dazwischen ist auch selten mal viel los
Wenn keiner will, dann geh ich aus,
aber wenn meine Freunde feiern,
sitz‘ ich hier mit dem Laptop auf dem Schoß
Ihr geht steil, ich geh heim,
noch nicht mal mit Absicht
Ihr geht raus, ich geh rein
Ob ich wirklich was verpass‘?
Ich hatte fear of missing out,
jetzt hab ich fear of doing something“
Womöglich sind es auch die typischen Fragen im Kopf, die sich ein jeder ab 30 stellt. Hat man was verpasst? Möchte man wirklich nochmal abends losgehen in eine Bar, nur um dort wieder bei Smalltalk sich zu langweilen?
Weiter geht es dann mit der zuletzt erschienenen Single „Schade, dass die Welt uns nicht versteht“. Der Song ist aus der Sicht der heutigen Jugend verfasst, welche schockiert vor unserer zerstörten Welt steht und schon daran denkt, dass wir lieber Aussterben sollten. Der Text ist so eingängig, dass man direkt im choralen Refrain mitgröhlen möchte.
Bei „Arbeit, Chat, alles bestens“ rechnen KMPFSPRT dann kurz und knapp mit der prekären Situation des akzeptierten Faschismus innerhalb der deutschen Polizei ab. Anschließend bekommen dann die Schönen und Reichen unserer Gesellschaft in „Perfekt/Defekt“ nochmal ihr Fett weg. Währenddessen beschäftigt sich „Hana-bi“ dann mit dem eigenen Selbst, was sich schön in der Zeile „Wiedermal – denke ich, ich denke viel zu viel – hol mich einer raus“ zusammenfassen lässt.
Damit sind wir schon am Ende „Aus gegebenem Anlass“ angekommen. Beendet wird das Album mit dem Song „Trugschluss der Dummen“, welcher eher melancholisch daher kommt und durch eine zirkusähnliche Trommel zu Beginn seinen besonderen Charme erhält.
„Aus gegebenem Anlass“ strotzt nur so vor positiver Energie, vor großen Gesten, kleinen, persönlichen Geschichten und klaren Worten, die den Hörer mal aufmunternd in den Arm nehmen und mal auffordernd in den Allerwertesten treten. Die Songs sind wesentlich kürzer als auf den letzten KMPFSPRT Alben und doch klingen sie sehr typisch nach der Band. Die wichtigen Themen werden einfach schneller auf den Punkt gebracht und man hält sich nicht am Schubladendenken bei der Musikrichtung fest. Punk? Pop? Indie? Post-Hardcore? Einfach einmal alles, bitte. Mission accomplished! Doch die Einstellung bleibt die Gleiche. Denn eins sollte nach gut 45 Jahren Punkrock klar sein: Es geht immer nur zusammen! Von diesem Gedanken trägt „Aus gegebenem Anlass“ sehr viel ins sich und gibt einem Kraft weiter zu kämpfen – für eine bessere Welt. Das Album könnte facettenreicher gar nicht sein. Nur einmal Durchhören reicht hier auf keinen Fall!
Das Album könnt ihr euch hier bereits vorbestellen und es gibt auch einige Special-Editions.
Aus gegebenem Anlass gehen KMPFSPRT mit „Aus gegebenem Anlass“ natürlich auch auf Tour!
Dates:
12.04.24 Bochum, Trompete
13.04.24 Bremen, Tower
10.05.24 Düsseldorf, Pitcher
17.05.24 Jena, Rosenkeller
18.05.24 Berlin, Badehaus
24.05.24 Neunkirchen, Stummsche Reithalle
25.05.24 Stuttgart, JuHa West
31.05.24 Wolfsburg, JH Ost
01.06.24 Hamburg, Logo
07.06.24 Frankfurt, Nachtleben (early show)
08.06.24 München, Backstage
Tickets dafür bekommt ihr u.a. hier.