Wir waren am Freitag, den 14. Oktober 2022, im Übel & Gefährlich in Hamburg um uns die Show von Muff Potter anzuschauen. Für mich persönlich war es ein ganz besonderer Abend, denn ich weiss noch genau, wie traurig ich 2008 war, als ich keine Tickets für die Abschiedstour von Muff Potter erhalten hatte und sie dann doch als Secret Vorband beim Jazzfäst von die Ärzte in Kiel sehen konnte. Nun, 14 Jahren später, sie auf der ersten richtigen Tour wieder zu sehen war einfach wundervoll.
Den Abend im Hochbunker haben Die Arbeit eröffnet, eine Post-Punk Band aus Dresden. Während eines psychedelisch wirkenden Intros betritt im Halbdunkel die Band die Bühne. Sie haben einige Songs vom neuen Album „Wandel“ (erschienen am 08. April 2022 bei Undressed Records) im Gepäck, darunter zum Beispiel „Probleme“, „Wir wissen nichts“ und „Wandel“. Der Sound der Dresdner Jungs erinnert mich etwas an die Einstürzenden Neubauten. Beim Gesang wird das Stilmittel des Monotonen und Repetetiven verwendet. Musikalisch scheint wohl die Rückkopplung das liebste Stilmittel zu sein.
Nach etwa 40 Minuten Spielzeit wird das Set von die Arbeit dann abgeschlossen mit ihrem Song „Im Tunnel“. Das Publikum lauschte stets gebannt und es schien, dass die Arbeit es in eine andere Welt entführt hätte, für einen kurzen Augenblick.
Nach einer kurzen Umbaupause geht es dann endlich los mit Muff Potter. Die Reihen haben sich gut gefüllt und alle im Publikum sind gespannt. Und dann starten Muff Potter mit einem Song, der gar nicht perfekter sein könnte als Beginn eines solchen Abends. „Killer“ ist auch schon der erste Track auf ihrem neuen Album „Bei aller Liebe“. Er beginnt erst ruhig, nur mit Nagel im Spotlight, um sich dann konstant aufzubauen und schließlich zu explodieren. Denn erst bei der Zeile „Ich kenn da ’n paar Leute, wir tun uns zusammen“ steigt der Rest der Band mit ein.
Da es schließlich die Tour zum neuen Album „Bei aller Liebe“ (erschienen am 26. August 2022) ist, werden auch direkt die neuen Songs „Ich will nicht mehr mein Sklave sein“ und „Flitter und Tand“ zum Besten gegeben.
Es folgen dann ältere Songs, zum einen „Gute Aussicht“ aus 2009 und dann noch ein wahrer Klassiker, bei dem das ganze Publikum wirklich abdreht – „Wenn dann das hier“! Es gibt meiner Meinung nach kein größeres Kompliment für Musiker, als wenn das gesamte Publikum lauter mitsingt, als die Band den Song selbst spielt.
Jetzt wo die Stimmung im Publikum wirklich aufgeheizt ist, geht es auch bei den neuen Songs voll zur Sache. Bei „Hammerschläge, Hinterköpfe“ singt einfach jeder bis zur letzten Reihe die Zeile „Mein Maserati fährt 210!“ mit und vorne in den ersten Reihen entsteht ein ordentlicher Moshpit. Bei der Einleitung zum mittlerweile 7. Song überkommt Nagel sein Autorensein, als er die Aussage macht, dass der folgende Song ebenfalls „vom neuen Album“ ist, oder man besser sagen sollte „auf dem neuen Album“ ist, sagt er anschließend: „Das sind die Momente wo Grammatik egal wird, weil Rock’n’Roll wichtig ist!“ Nach einem Schmunzeln von Band und Publikum folgt „Privat“.
Muff Potter bleiben bei Songs vom neuen Album „Bei aller Liebe“ und so folgt umgehend „Der einzige Grund aus dem Haus zu gehen“.
„Der einzige Grund aus dem Haus zu gehen
Ist die Welt zu ändern Wenigstens die eigene Die immer viel zu bescheidene Und überall da wo ich abhauen kann Gefällt es mir am besten Überall da wo ich nicht bleiben muss Gefällt’s mir eigentlich ganz gut Als Atheist, der gern Altare baut Als Pessimist, der an das Gute glaubt Als Nostalgiker, der nach vorne schaut So stolpere ich durch die Tage Und glaub mir Ich weiß nicht wohin das führt“Mit „Niemand will den Hund begraben“ geht es dann wieder back to the roots, zumindest für eine kurze Weile oder genauer gesagt einen einzelnen Song. Dann geht es direkt wieder zurück in die Gegenwart mit „Ein gestohlener Tag“ und „Wie Kamelle raus“. Als Nagel dann einen „Punk-Hit“ ankündigt ist das Publikum absolut gespannt. Es gäbe so viele gute, ältere Songs die alle unbedingt hören möchten. Mit dieser Aussage meinte Nagel dann „Das seh ich erst wenn ichs glaube“ vom 2007 erschienenen Album „Steady Fremdkörper“. Besonders fasziniert hat mich der Off-Moment bei der Zeile „jeder Szene ihr Geschwätz“. Und dann geht es nochmal 2 Jahre zurück in der Bandgeschichte mit „Von Wegen (Aus Gründen)“, einer meiner absoluten Lieblingssong, von denen ich wirklich nicht gedacht hätte, das sie an diesem Abend gespielt werden! Auch weil er irgendwie so ruhig ist, dass man als Band Angst haben könnte, das dadurch die Stimmung kippt.
Um noch ein bisschen mehr Geschichte reinzubringen spielen Muff Potter dann noch „Take a Run at the Sun“ vom 2000 erschienenen Album „Bordsteinkantengeschichten“. Dann kommt er auch schon, der letzte Song des Abends und wie sollte es auch anders sein, dieser ist ebenfalls vom neuen Album und heisst „Schöne Tage“. Doch das Publikum hat einfach noch nicht genug und so gibt es selbstverständlich noch einen letzten Zugabe-Block. Zuerst kommt „Notbeck City Limits“. Dieser Song von „Bei aller Liebe“ hat mich direkt beim ersten Hören fasziniert und gefesselt und spätestens jetzt wird einem bewusst, Muff Potter haben an diesem Abend wirklich das komplette neue Album durch gespielt – alle 10 Songs! Wow!
Zum nun wirklich finalem Abschluss gibt es noch 2 absolute Muff Potter Legenden-Songs. Zuerst „Fotoautomat“ bei dem einfach jeder mitsingen kann und dann folgt der letzte Song, der einfach nicht perfekter sein könnte für diesen Abend in Hamburg – „Wir sitzen so vorm Molotow“! (Für alle die noch nie in Hamburg feiern waren, so heisst ein kultiger Club auf der Reeperbahn.) Damit entlassen uns Muff Potter in die Nacht über Hamburg mit einem anhaltenden Gefühl der Freude nach einem Abend voller Gänsehautmomente die uns wohl immer in Erinnerung bleiben werden.