Am Freitag, den 02. Dezember 2022, erscheint das neue „Double Album“ von NOFX. Auch wenn es genau genommen nur eine Platte sozusagen ist, ergibt es zusammen mit dem zuletzt erschienenen „Single Album“ (26. Februar 2021) das erste richtige NOFX Doppel-Album. Gemeinsam mit der Ankündigung des „Double Album“ begannen Gerüchte im Web zu kursieren, dass dies wohl das letzte Album der Punk-Legenden sei und 2023 die letzte Tour auch stattfinden soll. Doch mittlerweile scheint dies nicht mehr so sicher zu sein.
Auf die Frage: Warum NOFX genau jetzt ein Doppelalbum veröffentlichen antwortete Fat Mike wie folgt: „Ich wünschte, ich wüsste es! OK. Ich meine, wir haben eine Menge Platten. Ich bin mir nicht sicher, wie viele es sind, sagen wir 15 mit 10 weiteren EPs und 65 7 „s. Ich wollte ein Doppelalbum machen, weil es da draußen keine guten Alben gibt. Pink Floyds „The Wall“ ist so ziemlich alles. Quadrophenia ist in Ordnung, wenn man ein Who-Fan ist, denke ich. Definitiv nicht das „Weiße Album“ [von den Beatles]. Ich glaube nicht, dass irgendjemand sonst gute Doppelalben gemacht hat. Sicherlich nicht Hüsker Dü, Minutemen oder Smashing Pumpkins.„
Zu „Double Album“ gibt es auch eine Wiedervereinigung mit den Punkrock-Legenden Bill Stevenson und Jason Livermore als Produzenten/Engineers. Außerdem brechen sie eine in der Vergangenheit selbst aufgestellte Regel. Wer es gelesen hat, erinnert sich bestimmt, dass eine der Bedingungen des NOFX-Buches „The Hepatitis Bathtub“ war, dass keines der Bandmitglieder sehen durfte, was die anderen über sie schrieben. Zu diesem Album nun hat Fat Mike die Erlaubnis bekommen, die Marotten und Eigenheiten der Leute in Songs zu verarbeiten, um ein Maximum an Geschwindigkeit und Komik zu erreichen und dies schöpft er im vollen aus.
„Double Album“ beginnt mit einem recht ruhigen aber auch sehr kurzen Intro zu „Darby Crashing Your Party“. Der Song gibt Einblick in ein nicht ganz so perfektes Leben, angeführt durch die Zeile: „I wasn’t born this way, I was raised“.
Weiter geht es mit „My Favorite Enemy“. Der Song ist etwas überspitzt in seinem Realismus und Komik. „My Favorite Enemy“, ebenso wie der darauffolgende Song „Don’t Count On Me“, zeigen auf, dass Fat Mike immer noch kein Problem damit hat, eine Sahnetorte ins Gesicht zu bekommen, selbst wenn sie Glasscherben und angespitzte Nägel enthält. „Man muss über alles lachen“, verrät Fat Mike, „denn die Welt bricht gerade zusammen und man muss eine gute Einstellung haben, um die Dinge nicht allzu ernst zu nehmen. So habe ich es immer gemacht. Ich bringe die Leute jeden Tag zum Lachen. Normalerweise tue ich das auf eine selbstironische Art und Weise, so gehe ich eben durchs Leben: Ich habe so viel Spaß wie möglich. Das ist es, was das Leben ausmacht – zu versuchen, so viel Glück zu finden, wie man kann. Und Glück zu verbreiten. Ich habe das Gefühl, dass das meine Aufgabe im Leben sein sollte – Freude zu verbreiten.“
„Don’t Count on Me“ hat mich auf vielfältige Weise überrascht. Zum ersten ist der Song mit seinen über 4 Minuten Spielzeit sehr außergewöhnlich lang für NOFX. Der Aufbau erinnert an eine Rock-Opera, denn im Grunde sind einfach mehrere kurze Songs in einem zusammengefasst. Bei 1.38 Min. wurde ich direkt beim ersten Hören komplett gefesselt und vollkommen überrascht durch die ruhige, emotionale Bridge bei der sogar im Hintergrund harmonische AhAhs zu hören sind. Bei 2.30 Min scheint der Song auszuklingen mit einem Vollschluss und dann geht es doch Reggea-Nummer. Durch den abschließenden Reggae-Part merkt man dann zuerst gar nicht, dass dieser bereits in den nächsten Song übergeht. „Joanna Constant Teen“ ist eine 78-sekündige Hommage an die Domina, die während der Produktion seines Musicals Home Street Home sechs Wochen in Fat Mikes New Yorker Airbnb wohnte. „Sie ist einfach eingezogen und hat jede Nacht mit mir gespielt. Sie sagte immer: ‚Mike, es ist Zeit, einen neuen Song zu schreiben. Fang an, oder du weißt, was passieren wird!‘ Das war wirklich cool. Offensichtlich habe ich nicht so viel geschrieben.“
Dies war nun der erste Song der, wie oben beriets beschrieben, über Eigenarten von Personen aus dem NOFX-Umfeld handelt. Also verlassen wir mal die Reihenfolge der Songs und bleiben einfach bei dieser Sparte. In „Alcopollack“ (Track 8) geht es um den Booking-Agenten David Pollack, der seit über 30 Jahren mit der Band zusammenarbeitet und wegen seiner unverschämten Ehrlichkeit mehr als nur einen Teil seiner Kunden verloren hat. „Ich habe ihn gefragt, ob es okay ist, wenn wir das auf das Album nehmen, und er meinte: ‚Ja, klar. Es ist gemein, aber lustig.‘ „, sagte Fat Mike dazu. „Fuck Day Six“ (Track 6 passenderweise) ist eine Geschichte über die Zeit, in der Fat Mike in einer von Buddhisten geleiteten Reha-Klinik clean wurde, mit viel Namedropping. Er sagte hierzu:„Jeder, der von Opiaten losgekommen ist, weiß, was ‚Tag sechs‘ bedeutet.“ Und zuletzt ist „Is It Too Soon If Time Is Relative“ (Track 7) eine urkomische und grausame Abrechnung mit dem gefeierten Autor/Physiker Stephen Hawking. „Ich habe das geschrieben, bevor er starb“, entschuldigt sich Fat Mike. „Es ist nicht mehr ganz so lustig. Ich wollte, dass er es hört.“
Die Background-Story zum nächsten Song hat mich sehr überrascht. „Punk Rock Cliché“ wurde ursprünglich für das Blink 182-Album „California“ geschrieben, jedoch dann wieder gestrichen, nachdem die Band herausgefunden hatte, dass Matt Skiba ihn zusammen mit Fat Mike geschrieben hatte, obwohl es ihr Lieblingssong war. Fat Mike gibt auch zu, dass die Blink-Version des Songs besser war. Ich persönlich finde, dass der Song genau so wie er jetzt auf dem „Double Album“ ist, perfekt ist.
Abgeschlossen wird „Double Album“ vom nach vorn treibenden Song „Three Against Me“, bei dem erneut auf chorale Gesänge, wie wir sie zwar aus dem Punk kennen, aber nun nicht unbedingt von NOFX, zurück gegriffen. Und zuletzt „Gone with the Heroined„ – ein Smasher der doch sehr untypisch ins leise outfaded.
Ich fand „Single Album“ schon sehr persönlich und intim und konnte mir erst nicht vorstellen, wie nun „Double Album“ dort anschließen sollte, doch es passt einfach perfekt. Beide Alben geben dem Hörer einen Blick weiter hinter die Kulissen und auch ein Stück weit hinein in das was in Fat Mikes Kopf abgeht. Auch „Double Album“ hat seine Ecken und Kanten, welche dem ganzen noch mehr Charme verleihen. Es sind nun mittlerweile 30 Jahre seit „Stickin‘ In My Eye“ vergangen und man merkt wie die Jungs erwachsen geworden sind. Die Themen ändern sich doch der Gedanke dahinter bleibt der Gleiche. Man will keine Hand vor den Mund nehmen. Es ist und bleibt purer Punk!
Fat Mike äußert sich zum Album selbst wie folgt: „Ich mag „Single Album“ wirklich sehr, aber die Songs auf „Double Album“ sind nicht ganz auf der Höhe der Zeit. All diese Songs wurden zur gleichen Zeit aufgenommen, allerdings wurde dieses hier erst zwei Jahre später fertig gestellt. Ich denke, es ist ein sehr unterhaltsames Album, vielleicht unser lustigstes. Ich denke, es ist das, was viele unserer Fans hören wollen. Und es ist eine großartige dritte und vierte Seite für ein Doppelalbum. Ich habe mein Ziel, ein solides Doppelalbum zu machen, erreicht, aber es hat einfach viel länger gedauert, als ich es ursprünglich erwartet hatte.“
Ich möchte diese Review nun auf etwas andere Art abschließen, mit einem Song und Video dazu, dass mich immer wieder emotional abholt und für so viel steht. Es ist zwar vom „Single Album“ und doch sollte es hier noch einmal stehen – „Linewleum“!