Am Freitag den 18. November 2022 erscheint die neue Platte von pogendroblem: „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“, kurz AWINHSMK. Es handelt sich hierbei um den ersten professionellen Longplayer der Band. 14 Tracks wurden binnen einer Woche unter Aufsicht von Gregor Henning im Studio Nord aufgenommen. Sie sind brachial und doch verspielt. Mit der Platte und dem Wechsel zu Audiolith stechen pogendroblem damit endgültig aus der DIY-Punk Szene heraus. Sie behalten jedoch ihren inhaltlichen Scharfsinn, ihr Commitment, ihre Livepower und die Cuteness des Aufbrechens heraus aus der Vorstadt.
Das neue Album reiht sich perfekt in die Reihe der bisherigen Veröffentlichungen ein und erzählt einen weiteren Schritt der Entwicklung. So konnten wir sie beim Umzug in die Stadt beobachten auf ihrer Platte „Erziehung zur Müdigkeit“ (2018) und anschließend ihrer Suche nach der Utopie beiwohnen auf „Ich –Wir“ (2020). Nun stoßen pogendroblem auf den Arbeitsmarkt und finden sich wieder zwischen Entfremdung, Anbiederung, Arbeitskampf und Solidarität, zwischen Generation Y und Z, lost im Real Life und im Internet zwischen Queerparties, Plenum und Supermarkt. pogendroblem wissen, dass sie eine schlechtere Zukunft haben werdenals ihre Elterngeneration. „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“ widmet sich dem Spätkapitalismus, denn sie kennen ja gar nichts anderes.
Ihr Musikstil wird wie folgt beschrieben: „pogendroblem klingen nach 80s-Punk mit Garage-Einflüssen und poppiger Niedlichkeit. „AWINHSMK“ erweitert jedoch auch musikalisch den Horizont und so lassen sich Einflüsse aus Major-Pop, Skate-Punk, Grunge, Black Metal finden. Abgerundet wird die Platte natürlich durchdas gleich in vier Stücken vertretene Waldhorn. Alles im allen –auch graphisch –lässt sich „AWINHSMK“ wohl am ehesten als Post-Punk (im besten Wort-Sinne) auffassen.“
Das Album startet mit dem kurzen und knackigen Titeltrack „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“, der auf geschlagene 36 Sekunden kommt. Weiter geht es dann mit „Die einfachen Botschaften“, welches ein Rundumschlag ist gegen Rainbow Capitalism, Green-und Pinkwashing. Die Strophen bestehen entsprechend aus neoliberalen Zitaten von Shell, Amazon, Bayer, Lidl, Alnatura und der Europäischen Union. Gesucht werden jedoch auch einfache Botschaften, um Kritik zu formulieren, die alle verstehen, ohne, dass sie einfach durch Social Media-Teams großer Konzerne oder der Polizei angeeignet werden können. Es geht also auch um die Frage nach inklusiven und breiten sozialen Bewegungen.
„Wie betäubst du dich?“ erschien als erste Single des Albums bereits am 30. August 2022 mit einem Video (ACHTUNG! Warnung vor Blitzlicht / Trigger für Epilepsie). Sie stellt viele offene Fragen in den Raum: „Hallo, Guten Tag, warst du gestern auch schon da? Wochenende. Wie betäubst du dich? Du schläfst auf dem Tresen ein, du stehst verschoben im Berghain, du kippst dir die siebte Tasse Kaffee rein, um weiter arbeiten zu können, danach nur noch Netflix and Chill and Junkfood, wie betäubst du dich? Wie hältst du das alles aus? Wie betäubst du dich?“ Es geht um Zukunftsangst und darum ob mal klar kommt, oder eben nicht.
Es folgt dann direkt Schlag auf Schlag die zweite Single „Shirt an“, erschienen am 12. Oktober 2022. Der Song bringt ein neues Argument in die OKF-Debatte ein: „Behalte doch einfach dein Shirt an, damit alle die geilen Parolen und Shirt-Sprüche lesen können.“ Der Song bringt einmal mehr Aufmerksamkeit für #punktoo und damit verbunden FLINTA*. Doch die awareness soll nicht innerhalb der Szene enden, sondern auch nach außen getragen werden: „Lass dein Shirt an, auch wenn du‘s nicht besser weißt, keine Freiheit für neuen deutschen Männerschweiß.“
Next one! – „Wiedersehen“. Der Song kommt viel leichter, fast schwungvoll daher und lädt zum Tanzen ein. Der Song beschreibt das komische Gefühl im Bauch auf Tour zu gehen und die „Post-Corona“ Vibes . Es ist allen gewidmet, die DIY-Shows organisieren und das „Network of Friends“ der Punkszene bilden. pogendroblem finden eine Antwort auf die Frage, warum so viel Lebenszeit für Musikmachen, Touren, Selbstausbeutung rauszuballern sei: „Eure Liebe bringt mich nochmal um, doch ich brauche Bestätigung.“ Der Song lässt uns auch generell die Sehnsucht nach vermissten Freund*innen, Orten, Aktivitäten deutlich spüren. Das Lied ist ein Abbild der Situation, in der die Pandemie sich noch immer hinzieht, die Livebranche struggled wieder auf die Beine zu kommen und wir noch immer versuchen aus dem 2020 Dornröschenschlaf aufzuwachen.
Nun wird es erneut mehrsprachig, denn „Das Gefühl“ glänzt mir einer ersten Strophe in englisch. Der Song handelt von Scheinbildern und Trügereien. „Du gibst mir das Gefühl das richtiges Leben möglich ist, es ist falsch!“ Und damit sind wir nun auch schon mit der Hälfte von „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“ durch – das ging flott!
„Keine Zeit“ behandelt, wie der Name schon denken lässt, den akuten Zeitmangel dieser aktuellen Generation und den damit einhergehenden Druck den man sich aufbaut. Hinter dem Titel „Militante Untersuchung“ versteckt sich ein echt groovy Track, der so total im Gegensatz zu seinem Titel und Text steht.
„Das ist nur,
das ist nur,
eine militante Untersuchung
gehen Sie weiter!“
Der Titel ist angelehnt an Friedrich Engels Fragebogen für Fabrikarbeiter und beschreibt die Praxis des in die Fabrik gehen und die Arbeiter*innen nach ihren Arbeitsbedingungen zu Fragen. Diese wurde vor allem in Norditalien weiterentwickelt. Hiermit liegt nun eine vertonte Form, angepasst auf das 21. Jahrhundert vor – bitte anwenden! Bei dem Stück handelt es sich zusammen mit „Keine Zeit“, „Hund“, „Vermögenssteuer“ und „Die Einfachen Botschaften“ um das inhaltliche Kernstück der Auseinandersetzung mit Arbeitsverhältnissen und kompetenzförmigen Wettbewerb, die auch der Platte ihren Namen gibt.
„Spätilord“ – dieses Wort muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Dieses Wort und auch der Song der dahinter steckt, beschreiben eine bestimmte Art von Persönlichkeit die es wohl so nur wirklich in der Großstadt gibt – für ein Dorfkind wie mich echt exotisch. Und was für ein Reim! „Spätilord – voll komfort“ – einfach genial!
Dem folgenden Song „Coming of Age“ stellen wir mal die Definition des Ausdrucks voran: „Coming of Age bedeutet übersetzt “Erwachsenwerden”, “Heranwachsen” oder “volljährig werden”. Coming of Age wird im Cambridge Dictionary wie folgt definiert: die Zeit, in der jemand emotional oder auf andere Weise reift.“ Es ist somit ein Thema was auf gar keinen Fall fehlen darf. Wie unterscheidet sich das Erwachsenwerden in den verschiedenen Generationen? Ist man noch Gen-Y oder doch Gen-Z? Und ist das überhaupt wichtig? Dazu kommt, dass der Song noch mit einem Haufen an Zitaten gespickt ist.
„Coming of Age immer noch ein Ding,
es gibt nichts zu berichten, es gibt nichts zu besingen,
am I getting younger nichts kapiert
ich war schon immer abgeklärt und desillusioniert“
„Scherbensplitter“ ist der wohl am typischsten punkige Song auf „AWINHSMK“ – kurz, knackig, derbe und voll in die Fresse! Ebenso kommt auch „Flucht“ daher, der letzte Song der Platte. Es lässt sich als Retrospektive auf die Anfänge von pogendroblem als dorfige Deutschpunkband interpretieren, mit allem was dazu gehört: Addlip-Memes aus den frühen 2010ern, zerbrochener Freundschaft und dem Verlieren gehen in den Suburbs von Köln.
Abschließend kann man einfach nur sagen, dass „Alles was ich noch hab sind meine Kompetenzen“ ein 14-Song langes Album geladen voller Punk in seiner feinsten Art ist. Es kritisiert und prangert an und zeigt einem die Welt auf in der pogendroblem sich gerade herumschlagen. Es greift Themen auf die so mancher, der ebenso gefangen ist zwischen Generation-Y und Millenials, nachvollziehen kann.