WHITECHAPEL – KIN: Review

Kin Artwork

In diesem Stadium gebietet der Name Whitechapel Respekt. Sie verfügen bereits über einen der beneidenswertesten Kataloge im zeitgenössischen Metal und haben 2019 The Valley veröffentlicht, das eine selbstbewusste Weiterentwicklung ihres Sounds zeigte und einen echten Meilenstein darstellt, der einen neuen Standard für das Genre gesetzt hat.

„Für mich war es, als hätten sich die Sterne für uns so ausgerichtet, dass wir unser fast perfektes Album in Bezug auf das Songwriting, die gesangliche Leistung, den Mix und das Mastering sowie das Artwork schaffen konnten“, sagt Gitarrist Alex Wade. „Wir betrachten unsere Alben gerne als Kapitel unserer Karriere, und das ist ein Kapitel, das ich nie vergessen werde. Ich denke, es hat uns wirklich gezeigt, dass wir einen neuen Sound annehmen können, und wenn wir ihn richtig umsetzen, dann wird die Fangemeinde ihn unterstützen und genießen.“

WHITECHAPEL - KIN: Review

Im Jahr 2021 kehren sie mit dem Nachfolger jenes Albums, dem mächtigen Kin, zurück, einer noch dynamischeren und vielfältigeren Sammlung, die den Sound der Band in neue Gefilde vorantreibt, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was sie an diesen Punkt gebracht hat.

„Ich habe das Gefühl, dass wir bei jedem Album lernen, was beim Letzten am besten funktioniert hat, und versuchen, das beim Schreiben zu nutzen. Zu Beginn des Songwritings gab es einige Diskussionen darüber, dass das Album wie ‚The Valley‘ Teil II sein könnte, nicht wörtlich so genannt, aber so, wie die Songs klingen und fließen. Es ist ein sehr erzählerisches Album, so wie es ‚The Valley‘ war“, fügt Sänger Phil Bozeman hinzu, „Musikalisch wollen wir einfach das schaffen, was wir in dem jeweiligen Moment fühlen. Wir schreiben Musik, wie wir uns fühlen und nicht, was von uns erwartet wird, während textlich die Idee, die Geschichte von ‚The Valley‘ weiterzuführen, immer das Ziel war.“

Das Ergebnis ist ein Album, das viele klangliche und emotionale Bereiche auslotet, und zum ersten Mal kann man sagen, dass ein Whitechapel-Album ebenso sehr ein Rock- wie ein Metal-Album ist – eine Behauptung, der Wade zustimmt.

„Es ist immer noch ein Metal-Album, aber es gibt Elemente auf der Platte, die eher einen rockigen und offenen Vibe haben. Wir wollten wirklich, dass diese Songs atmen und Leben haben und größer klingen als alles, was wir bisher gemacht haben. Wir haben auf ‚Kin‘ auch mehr Gesang ausprobiert. Es würde keinen Sinn machen, wenn die Mehrheit der Fangemeinde diesen Sound genießt und dann davor zurückschreckt.“

 

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Um euch einen Einblick in das neue Werk zu geben, haben wir hier nun ein kleines Review zusammengestellt.

Kin – Evolution oder Niedergang?

Wer Whitechapel seit längerem verfolgt, der wird wisse, dass die Deathcore Truppe um Phil Bozeman sich nicht auf einem Stil festnageln lässt. Das wird einem sofort bewusst, wenn man den ersten Track anschmeißt – „I Will Find You“. Eine Akustikgitarre, eine cleane Gitarre und ein warmer Bass eröffnen im County Stil. Man fühlt sich als Cowboy, der über die weiten Ebenen von Tennessee reitet. Dann setzt die altbekannte Härte ein. Double bass drum und heavy riffing. So muss das! Bozemans berühmt-berüchtigten Vocals überzeugen von der ersten Sekunde. Was besonders auffällt ist der lange Chorus – sehr geil gestaltet! Im hinteren drittel finden wir auch cleane Vocals sowie ein Gitarrensolo. Ein verdammt guter Start in ein Album.

Track Nummer zwei ist die erste Singleauskopplung „Lost Boy“. Vollgas! Blastbeats, Shreds und doubletime Growls fliegen einem sofort um die Ohren! Der Song läuft so ziemlich durch, bis wir zum hinteren Drittel gelangen. Ein Cooldown setzt ein, grooviges Drumset, atmosphärische Gitarren und erneut cleaner Gesang auf die ein epischer Höhepunkt folgt. Sauberes Brett!

„A Bloodsoaked Symphony“ löst Gänsehaut aus. Der dritte Track beginnt mit einem Gitarren Intro und kehrt mit dem Einsatz aller Instrumente zu altbekannter Härte zurück. Ganz besonders dringen die Lyrics des Songs durch.

„Mother, I pray that your voice sings me to sleep
To save my sanity from the sound of this blood-soaked symphony
Father, I pray that your hand is warm again
My pain will never end until you both come back to me“

Das allgemein düster gehaltene Gefühl des Songs dringt unter die Haut und gerade der Breakdown passt unfassbar genial in die Thematik des Werkes. Wie wir in unserem Interview mit Phil erfahren konnten, beschäftigt sich „Kin“ mit Bozemans Jugend. Wenn einem dieser Hintergrund bewusst ist, achtet man ganz anders auf die Songs. Lest das ganze Interview HIER.

Nach so viel Härte bekommen wir mit „Anticure“ eine melancholisch-sanften, an Country/Blues angelehnte, Verschnaufpause. Das lange, abkühlende Intro geht in eine groovige Strophe über. In diesem Song überwiegen die cleanen Vocals. Das mag für alteingesessene Fans oder Liebhaber der extremen Genres vielleicht nicht so erfreulich sein, wir finden es aber wirklich klasse! Die Diversität macht den Track hervorragend. Und wir müssen nicht komplett auf unsere geliebten Growls verzichten. Alles in allem bietet der Song von allem etwas, bleibt dabei aber eher ruhig.

Chug, chug, chug! Brauchen wir eigentlich einen Bass, wenn die Gitarren so tief gestimmt sind? „The Ones That Made Us“ ist ein satter Track. Hier können wir uns sehr gut einen gewaltigen Moshpit vorstellen. Besonders viel Abwechslung finden wir zwar nicht, aber das braucht es nach den Vorreitern auch gar nicht.

Was ist das? Ist das noch Whitechapel? „History is Silent“ erinnert eher an einen Rocksong, als an Metal. Durchbrochen wird das durch heftige Growl Passagen, bleibt jedoch allgemein eher zurückgehalten. Eine willkommene Abwechslung und auf alle Fälle eine sehr coole Entscheidung der Band, auch in diese Richtung auszuufern.

Und dann geht es sofort zurück zum Deathcore. „To the Wolves“ haut uns ohne Erbarmen alles um die Ohren und ballert schön durch. Ist das DIE Gelegenheit für eine Wall of Death? Hier müssen wir auch einmal betonen, wie genial das Riffing der Gitarren in allen Songs ist! Gerade die Leadgitarre verleiht mit ihren atmosphärischen Shreds und Solos dem Ganzen einen melodischen Touch.

Uff… „Orphan“. Alleine der Titel trifft mitten ins Herz. Wir empfehlen hier auf jeden Fall auf die Lyrics zu achten. Der Track ist definitiv eine drückende Ballade, geprägt von den zerbrechlichen cleanen Vocals, sanftem Riffing/Picking, einem warmen und gemütlichen Bass und im Verhältnis zu manch anderen Songs schon fast sanften Drums. Der Gesang überzeugt! Es wirkt nicht aufgesetzt, die Gefühle sind echt, die Trauer und Verzweiflung ist spürbar. Gänsehaut!

Haben wir schon erwähnt, dass wir die Diversität der musikalischen Einflüsse lieben? „Without You“ ist ein instrumentales Zwischenspiel mit einem gewaltigen Einfluss vom Blues. Verträumt, sanft, bittersüß.

Und dann bekommen wir die guten alten „Chugs“ der Gitarren um die Ohren. Der polyrhythmische Groove von „Without Us“ kommt richtig gut. Man erwartet Eskalation, aber dann – klarer Gesang, eine Drum’n’Bass Strophe mit atmosphärischen Gitarren. WOW! Im Chorus hauen dann die Growls wieder rein, gefolgt von den polyrhythmischen „Chugs“ vom Anfang. Und wieder Drum’n’Bass mit Cleans. Dieses Auf und Ab ist einfach genial, wenn auch nicht unbedingt jedermanns Geschmack.

Den Abschluss kürt „Kin“. Es ist fast schon ein Lied für ein Lagerfeuer. Akustikgitarre, Klavier, ein paar ambiance Synths im Hintergrund, klarer Gesang. Ein wunderschöner und herzwärmender Abschluss für die Reise, auf die dieses Album uns mitnimmt. Das Gitarrensolo ist so typisch Rock, langes Bending, melodisches Riffing. Genau das, was ein ordentliches Rock Solo benötigt. Der finale Chorus dreht dann noch einmal den Gefühlsregler weit auf. Wahnsinnig gut!

Fazit

Whitechapel ist bekannt für harte Musik. Sie sind nicht umsonst eine der bekanntesten Bands im Deathcore. Aber wollen sie sich vorschreiben lassen, wie sie ihre Musik zu schreiben haben? Ganz eindeutig NEIN!
Sie wollen die Möglichkeit haben sich genau so zu entfalten, wie es sich für sie richtig anfühlt. Und dabei durchbrechen sie auch gerne Genre-Grenzen. Das mag nicht für jeden erfreulich sein, wer aber ein Freund von melodischen sowie brachialen Elementen ist, der wird hier nicht enttäuscht.
Neben dem gewohnten „Auf die Fresse“ Death Metal und Core finden wir in „Kin“ einen starken Einfluss auf dem Southern Country und Blues Rock, welcher absolut in das Klangbild der Band passt. Die Fusion aus den verschiedenen Welten zeigt deutlich, dass wir es mit erfahrenen und fähigen Musikern zu tun haben. Wir sind begeistert und werden das Album auf jeden Fall häufig rauf und runter hören! Mal sehen, wohin uns die Entwicklung in der Zukunft noch bringt.

9/10

„Kin“ ist auf allen gängigen Streamingdiensten zu finden!
Wer sich eine CD oder sogar Vinyl zulegen will, der kann das HIER tun.

Schaut euch auch die Musikvideos der Band an:

Weitere Informationen:

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